Ein anatolischer Schwabe in Bonn

■ Cem Özdemir, Einwanderungspolitker der Grünen, gibt seine Biographie heraus. Es ist von einem engagierten Politiker geschrieben

Bonn (taz) – Bücher von Politikern fangen etwa so an: „Dies ist das dritte politische Tagebuch, das ich publiziere. Meinen Gegnern zum Trotz: es ist auch das letzte“ (Peter Glotz). Der 31jährige Bundestagsabgeordnete der Bündnisgrünen, der Schwabe türkischer Abstammung, Cem Özdemir, beginnt seine Autobiographie „Ich bin Inländer“ mit dem Untertitel „Ein anantolischer Schwabe im Bundestag“ so: „Ja, Herr Özdemir, was sind Sie jetzt, sind Sie mehr Türke oder mehr Deutscher?“

Cem Özdemir, im schwäbischen Bad Urbach geboren, ist seit seinem 16. Lebensjahr Deutscher. Das Schwäbische liegt ihm näher, nicht zuletzt deshalb, weil die Schwaben zu Patriotismus kaum fähig sind. Seine Identität sei ein Patchwork. Aus beiden Kulturen, der deutschen und der türkischen, habe er sich das Beste heraussuchen können. Dies alles sagt er bei der Vorstellung des Buches in der baden-württembergischen Landesvertretung. Ähnlich, wie er es in seinem Einstiegssatz schreibt, war er gefragt worden: „Was ist an Ihnen noch türkisch.“ Das zweite Kapitel des vom Bielefelder Journalisten Hans Engels geschriebenen Buches fängt mit dem Satz an: „Es war keine schwere Geburt im Kreißsaal des Krankenhauses von Bad Urach, aber eine ungewöhnliche. Das dritte Kapitel mit: „Das Verhältnis zu Oma und Opa blieb trotz des Umzuges zunächst, wie es war.“ Das sechste mit: „Jahrelang wußte ich nicht präzise, wie alt ich war.“ Überschriften lauten: „Pickinicks und Portugiesen“, „Geburtstag und ein kleiner chirurgischer Eingriff“. Was manchem nicht mehr verspricht als kleinbubenhafte Tagebuchaufzeichnungen, geht über zur Beschreibung von kulturellen Unterschieden, Vorurteilen und offener Ablehnung. Der kleine chirurgische Eingriff ist die Beschneidung („ich schrie wie am Spieß“). In einer späteren Passage wird beschrieben, wie Özdemir während eines Fernsehauftritts beim WDR von einem Anrufer gefragt wird: „Sagen Sie mal, sind sie beschnitten? Wenn ja, was machen Sie dann im Bundestag?“

Bei der Vorstellung des Buches reiht Özdemir vor allem derartige Anekdoten über das Leben eines Politikers mit türkischem Aussehen und Namen aneinander. Doch der einwanderungspolitische Sprecher der Grünen kann auch wie ein Politiker reden: „Ein Produkt des Prozesses der Immigration steht heute vor ihnen“, sagt er und meint, daß Deutschland endlich die Realität anerkennen muß, eine Einwanderungsgesellschaft zu sein. Ähnlich ist es auch in seinem Buch. Es ist von einem engagierten Politiker geschrieben. Markus Franz