■ Berlin: Neuer Wettbewerb für das Holocaust-Mahnmal
: Grünumrankte Kranzabwurfstelle

Nur durch eine Indiskretion war die Nachricht von der Neuausschreibung des Wettbewerbs für das zentrale Berliner Holocaust-Mahnmal an die Öffentlichkeit gedrungen. Mit dieser klammheimlichen Volte hat der Berliner Kultursenator Radunski (CDU) versucht, gleichermaßen sein Gesicht zu wahren und den Gegnern des Wettbewerbs von 1994 in einem Punkt nachzugeben, den er während der drei Berliner Colloquien immer zur Conditio sine qua non erklärt hatte. Nämlich: Das Denkmal wird entweder eins der bereits ausgewählten sein – oder es wird nicht sein. Daß er nun mit Künstlern wie Daniel Libeskind, Jochen Gerz und vor allem Christian Boltanski Leute angesprochen hat, von denen man sich tatsächlich einen Ausweg aus der ästhetischen Sackgasse versprechen kann, läßt hoffen. Jetzt müssen sie nur noch wollen.

Mit dem unberechenbaren Anschwellen dessen, was inzwischen Kultur alles kitten, begradigen und aufarbeiten soll, wächst die Zahl der wunderlich agierenden Kulturfunktionäre. So hat der Berliner Kultursenator Radunski eine ganz eigene Vorstellung von dem, was die Soziologie „Legitimation durch Verfahren“ nennt. Die Tatsache, daß in drei Colloquien ausführlich über das Warum, Wo und Wie des Mahnmals geredet wurde, reicht ihm völlig aus. Jetzt will er Taten sehen. Wer jetzt kein Mahnmal hat, baut sich keins mehr!

Im Prinzip keine schlechte Idee: Schließlich ist die ganze Debatte überhaupt nur deshalb in Gang gekommen, weil es konkret vorliegende Entwürfe gab, mit denen zu wenige hätten leben können. Solche Entwürfe entstehen auch nicht aus Debatten. Aber die dürren Worte, mit denen die zwei wichtigsten Kontroversen der Colloquien – Standort des Mahnmals und erinnerter Personenkreis – beiseite gewischt werden, sind, so oberhausmäßig das klingt, der stattgehabten Auseinandersetzung einfach unwürdig.

Beispiel Standort: Nicht zuletzt Rita Süssmuth hatte gefordert, das Mahnmal müsse näher an die „symbolischen Orte“ aktueller deutscher Politik, hinein ins Regierungsviertel, ein Skandalon vor aller Augen, und nicht, wie es in einem offenen Brief hieß, auf eine „Betroffenheitsinsel zwischen zwei Hauptverkehrsstraßen“. Genau dort, in den Ministergärten beim Brandenburger Tor, soll es aber nach wie vor entstehen. Dem Getöse wolle man es durch „geeignete Abschirmung“ entziehen. Genau das war befürchtet worden: die eingegrünte Kranzabwurfstelle für besondere Anläße. Welcher Künstler soll in diesem Biotop agieren? Mariam Niroumand