„Wir wollen keine Ghettoschule“

Neue evangelische Hauptschule in Fürth will muslimische Kinder aufnehmen. Die Schulaufsicht ist dagegen, pocht auf den Status Bekenntnisschule und droht mit Etatkürzunge  ■ Aus Fürth Bernd Siegler

„Wenn wir nie einen Muslim aufnehmen dürfen, dann macht die Schule für mich keinen Sinn.“ Ludwig Markert, evangelischer Dekan der Stadt Fürth, will die zum Schuljahr 1998/99 in der 100.000-Einwohner-Stadt neu geplante evangelische Hauptschule auch für muslimische Kinder öffnen. Damit beißt er bei der Genehmigungsbehörde, der Regierung von Mittelfranken, auf Granit. Die Folge: Die Schule müßte mit weitaus weniger staatlichen Zuschüssen auskommen als eingeplant.

Mit der Aufnahme muslimischer Kinder in eine Schule unter evangelischer Trägerschaft wollte die Kirche „bewußt ein Zeichen setzen“, so Jürgen Bohne, Vorstandsvorsitzender der Evangelischen Schulstiftung in Bayern. Die Stiftung verwaltet die 120 evangelischen Schulen mit ihren 16.000 Schülern im Freistaat. Die neue Hauptschule in Fürth sollte zehn Klassen umfassen und angesichts eines Ausländeranteils von über 20 Prozent im Stadtteil auch muslimische Kinder aufnehmen. „Unsere Schulen müssen offen sein für Aspekte der interkulturellen und interreligiösen Erziehung“, begründet Bohne sein Konzept. „Sie dürfen keine Ghettoschulen sein.“

Das sind sie aber in den meisten Fällen, denn auch Bohne ist bewußt, warum gerade evangelische Schulen in Bayern so großen Zulauf haben. Das liegt nicht nur an der angebotenen Ganztagsbetreuung und dem besonderen pädagogischen Konzept. Die Zugangsvoraussetzung ist in jedem Fall die Taufe, und viele Eltern hoffen dadurch auf einen geringeren Anteil andersgläubiger und ausländischer Schüler. Auch dagegen will Bohne mit der Aufnahme von „ein, zwei oder drei“ muslimischen Kindern ein Zeichen setzen.

Doch schon ein derart minimaler Anteil muslimischer Kinder ist der Regierung von Mittelfranken zuviel. „Die Herren der Kirche sollen einmal die Staatsverträge lesen“, empört sich Regierungsdirektor Martin Schrenk. Im Staatsvertrag aus dem Jahre 1924 ist festgelegt, daß eine Bekenntnisschule nur Schüler eines Bekenntnisses unterrichten darf. Für solche Schulen trägt Bayern alle laufenden Personal- und Sachkosten. „Dieser Begriff ist doch in der Praxis längst aufgeweicht“, argumentiert Bohne. In evangelischen Schulen würden bislang ohne Probleme auch katholische Schüler unterrichtet und umgekehrt, ohne daß man den Status einer Bekenntnisschule verliere. „Vertrag ist Vertrag“, insisitiert dagegen Schrenk.

Jetzt muß Dekan Markert beim Kultusministerium verhandeln, ob mit der Aufnahme einiger weniger muslimischer Kinder der Status einer Bekenntnisschule automatisch verwirkt wird. Wenn ja, dann würde die Schule als „Schule mit besonderem pädagogischem Charakter“ eingestuft. Nur mehr 80 Prozent der Sachkosten würde dann der Freistaat tragen, den Rest müßte die Kirche aufbringen.

Bohne und Markert hoffen nun, das Kultusministerium in München überzeugen zu können. Sie wollen ihr Konzept mit der Öffnung für andere Religionsgemeinschaften explizit genehmigt haben und nicht „klammheimlich“ ein oder zwei muslimische Kinder aufnehmen, in der Hoffnung, daß die Schulaufsicht dies nicht mitbekommt. „Uns geht es um das Prinzip“, betont Bohne.