Elbschlick: Wer will mich haben?

Finanz-Knatsch um Hafenschlick-Lagerung in Stader Salzkavernen: Dow Chemical „verschnupft“über Hamburger Senat  ■ Von Heike Haarhoff

„Sollen sie doch sehen, wo sie mit ihrem Elbschlick bleiben.“Michael Werner, Chef des Salzbergwerks des Chemie-Giganten Dow Chemical in Stade, macht seinem Ärger Luft. „Verschnupft“sei das Unternehmen über den „Rückzieher“des Hamburger Senats. Der habe sich im letzten Moment geweigert, den „bereits unterschriftsreifen“Vertrag über die Einlagerung Hamburger Hafenschlicks in den unterirdischen Stollen der Dow in Ohrensen bei Stade zu unterzeichnen.

„Aus Kostengründen“, vermutet Werner und droht nun, das Millionen-Projekt platzen zu lassen: „Der Vertrag liegt auf Eis. Nachverhandlungen wird es mit uns nicht geben.“Ob „ein neuer Senat“nach der Hamburg-Wahl doch noch zu unterschreiben gedenke, sei dessen Sache. Schließlich, so Werner zur taz, sei die Dow nicht auf den Schlick, Hamburg aber sehr wohl auf ein Lager angewiesen.

Der Senat weist die Vorwürfe zurück: „Mit einem unterschriftsreifen Vertrag ist der Senat noch nicht befaßt worden“, wundert sich Sprecher Franz Klein. Auch die Wirtschaftsbehörde, die die Gespräche mit Dow führt, will von einer Verstimmung des Partners an der Unterelbe nichts wissen. „Die Verhandlungen laufen. Es sind noch ein paar finanzielle Fragen zu klären“, gibt sich Sprecher Wolfgang Becker unbesorgt.

Hinter den Kulissen dagegen wird heftig debattiert, ob Hamburg sich überhaupt auf den Schlick-Deal einlassen sollte. Der nämlich würde die Hansestadt eng an das Chemieunternehmen binden, und zwar „über zwölf bis fünfzehn Jahre“, schätzt Werner. So lange würde es dauern, bis die ausgebeutete Salzkaverne 2 gefüllt wäre. Jährlich 400.000 bis 700.000 Tonnen Elbsedimente (umgerechnet 60.000 Lkw-Ladungen), die wegen ihrer Belastung mit Schwermetallen, Dioxinen und Furanen nicht einfach im Fluß umgelagert oder als Klärschlamm auf Felder gekippt werden können, sollten unter Tage endgelagert werden. Mit Schuten sollte der Schlick über die Elbe nach Stade transportiert werden und von dort über werkseigene Pipelines in die Kavernen gepumpt werden.

Mit „Preisen unter 70 Mark pro Tonne“, so Werner, bliebe Dow zwar unter den Kosten, die eine Hügeldeponierung die Stadt kosten würde. Doch müßte sich Hamburg zu eben diesem Festpreis, dieser Festmenge und über diesen langen Zeitraum verpflichten (Gesamtkosten: 500 bis 600 Millionen Mark) – egal, wie sich der Lagerbedarf entwickelt und egal, ob der Hafenschlick in der Zwischenzeit sauberer wird. Denn für Dow lohnt sich der Deal nur, wenn tatsächlich garantiert ist, daß die Kaverne komplett gefüllt ist. Nur so werde der Salzstock „stabilisiert“.

Diesen Schwachpunkt des Vertrags hatte Umweltsenator Fritz Vahrenholt (SPD) schon im April bemängelt. Auch die Grünen sehen die Kavernenlösung skeptisch, wenn auch aus anderen Gründen: „Das würde ausgerechnet die Chlorindustrie stärken“, mäkelt Wirtschaftsreferent Detlev Grube.

Den EinwohnerInnen Niedersachsens und Schleswig-Holsteins dagegen fiele ein Stein vom Herzen: Die Nachbarländer haben sich – weil auch sie vom Hamburger Hafen profitieren – gegenüber der Hansestadt verpflichtet, Flächen zur Unterbringung des anfallenden Baggerguts (300.000 Tonnen pro Bundesland und Jahr) zur Verfügung zu stellen. Nach heftigen Protesten in der Bevölkerung gegen die zunächst anvisierte Landdeponierung empfahl das niedersächsische Elbschickforum 1993 schließlich die Dow-Lösung in Stade.