Der Angriff der Büroklammer

■ Barbara Deutschmann in der Galerie Gruppe Grün

Eigentlich hätte es ein Kreissegment sein können. Wenn da nicht der äußerste Teil nach unten weggerutsch wäre, und dann auch noch ein Mittelteil nach oben abhauen würde, jetzt gerade eben, so scheint es. Die Plastiken von Barbara Deutschmann zeigen abstrakte Formen in Aktion. Nahekommen kann man ihnen nicht. Die Galerie bleibt geschlossen. Betreten darf sie nur der Blick. Nicht zum ersten Mal hat die Produzentengalerie der Gruppe Grün diesen interessanten, und vor allem personalschonenden Kompromiß zwischen Ausstellung und Galerieferien gewählt. Dem Betrachter ergeht's wie beim Besuch in manchen Gefängnissen, wo ein Sicherheitsglas Kontakt einschränkt und Sehnsucht steigert.

Von ungriffiger Sehnsucht erzählen auch Deutschmanns „Flugkörper“. Wenigstens bieten sie nicht wie die Reisebüros Ausflüge zu altbekannten Zielen mit falschen Versprechungen an. Können sie nicht. Sie sind abstrakt.

Bewegung, Veränderung, Energie übersetzt die Bildhauerin in Formsprache: Ein rotes Farbband auf Stein taucht ab in milchiges Zwielicht, konkret: in Kunstharz. Eine Büroklammer windet sich aus dem Nebel hervor, diesmal ist es Wachs, und schießt auf den Betrachter zu. Zwei Streifenbänder pulsieren mal synchron, mal gegeneinander verschoben. Deutschmann kann genausogut abstrakte Geschichten erzählen wie zum Beispiel der großartige Brite Anthony Caro. Sie tut's jedoch ohne Rost, in makelloser Schönheit.

Die Persönlichkeit jeder einzelnen Arbeit drückt sich in den Beschriftungskärtchen aus. Die Plastiken sind nicht aus Marmor oder Sandstein, sondern aus Untersberger Marmor oder Obernkirchner Sandstein. Wie jeder Mensch haben diese Dinge eine Heimat.

Weil alles Persönliche durch Gegensätze vorangetrieben wird, arbeitet die Bildhauerin mit antagonistischen Materialien: Stein auf Wasser, Wachs neben Beton usw. Aber manchmal, da verwechselt man Wachs mit Marmor, da kommen Gegensätze zusammen, ganz nah, auch wenn man sie nur von fern, der Straße aus, betrachtet. bk

Fedelhören 32, bis Ende August