„Wir sind in der richtigen Zeit am richtigen Ort“

■ Prof. AylÛ Neusel, Diplomingenieurin und eine der Initiatorinnen der Frauenuni, über das Modell Hochschule und die reizvolle Perspektive einer exklusiv weiblichen Institution

taz: Die Frauenuniversität auf der Expo 2000 ist für 100 Tage geplant. Warum nicht gleich für 1.000 oder 10.000?

AylÛ Neusel: (lacht) Ich setze auf die Strategie, ein einmaliges, großartiges, internationales, interdisziplinäres Modell zu schaffen. Wir diskutieren die Idee schon seit zehn Jahren, und jetzt haben wir zum erstenmal die Möglichkeit, sie zu realisieren. Die Frauenuniversität soll völlig anders sein als unsere heutigen Hochschulen. Für ein einmaliges Modell ist das leichter durchzusetzen. Sobald wir eine dauerhafte Universität gründen wollen, fangen die bürokratischen Schwierigkeiten an. In Deutschland ist „Universität“ ein geschützter Begriff, zur Anerkennung gehören eine Reihe von Bedingungen. Die Frage lautet: Wieweit wollen wir uns anpassen? Wieweit können wir es uns leisten, anders zu sein? Natürlich ist das langfristige Ziel, eine dauerhafte Universität zu installieren. Aber ich möchte mir nicht jetzt schon Fesseln anlegen müssen. Es können nicht sämtliche Hochschulgesetze außer Kraft gesetzt werden.

Die Frauenuni soll nach der Expo als virtueller Campus weitergeführt werden.

Es gibt verschiedene Vorschläge. Die eine Idee ist die einer Fernuniversität mit internationalen Kooperationen. Eine andere ist, die Frauenuni als Präsenzuniversität alle paar Jahre an einem anderen Ort stattfinden zu lassen und den virtuellen Campus nur für die Zwischenzeit einzurichten.

Ganz zu stehen scheint das Projekt noch nicht, auch angesichts der Kosten. Wie sieht es mit staatlicher Unterstützung aus?

Am 1. Juli haben wir einen Trägerverein eingerichtet, der wiederum die Frauenuniversität gründen soll. Im nächsten Jahr werden wir die Hochschulgremien etablieren und das inhaltliche Konzept verabschieden. Aber natürlich brauchen wir auch als Privatverein die staatliche Anerkennung. Deshalb verhandeln wir mit der niedersächsischen Landesregierung, und die Wissenschaftsministerin Helga Schuchardt ist durchaus bereit, uns zu unterstützen. Die Frauenuniversität soll während der Expo in Hannover stattfinden – für viele potentielle Geldgeber und Stiftungen eine reizvolle Perspektive. Andererseits wollen dieselben Gruppen, die die Expo kritisieren, bei der Frauenuni mitmachen.

Ambivalent in der Frauenforschung ist, daß frau einerseits die Geschlechterunterschiede beseitigen möchte, sich bei diesem Vorhaben aber explizit als Frau definieren muß. Wie will die Frauenuni diesen Widerspruch angehen?

Das ist ein Streitpunkt unter Frauenforscherinnen. Hier zitiere ich gern meine Kollegin Angelika Wetterer. Sie nennt unser Vorhaben eine „paradoxe Strategie, das Geschlecht zum strukturbildenden Prinzip einer Universität zu machen, um letztlich das Geschlecht als soziales Klassifikationskriterium außer Kraft zu setzen“. Trotzdem ist sie für eine Frauenuniversität: „Die Separation, die der Frauenuniversität oft zum Vorwurf gemacht wird, bietet einerseits die beste Möglichkeit dafür, daß Frauen ihre eigenen Interessen, Themen und Organisationsformen entwickeln, ihre eigene Art, Wissenschaft zu betreiben. Und sie enthebt sie gleichzeitig am nachhaltigsten von dem Zwang, so zu sein, wie eine Frau zu sein hat, nämlich weiblich.“ Mir gefällt die Zielvorstellung, daß die Frauenuni uns von der kulturellen Zuordnung befreit, weiblich zu sein.

Von welcher Seite erhalten Sie vorwiegend Zuspruch?

Vor allem von seiten der Studentinnen. Als wir jetzt unsere Idee „100 Tage für 100 Jahre“ öffentlich vortrugen, war die Resonanz geradezu überwältigend. Ich bekomme sehr viele Anrufe und Briefe: Ich bin feministische Wissenschaftlerin, ich möchte mitmachen. Oder: Ich habe in einem Frauencollege studiert, können wir da nicht ein Verbundprojekt schaffen? Oder: Wir sind ein Frauennetzwerk, wir wollen das Konzept unterstützen. Wir hoffen, daß jetzt alle Interessierten Mitglied in unserem Trägerverein werden.

Auch potentielle Förderer haben positiv reagiert. Ich führe das darauf zurück, daß über die Hochschule derzeit sehr kritisch diskutiert wird. In den letzten Jahren gab es viele Reparaturversuche am Modell Universität – Managementstrukturen stärken, Hochschulrat und Globalhaushalt einführen. Aber letztlich bewegte sich wenig. Doch mit der Frauenuniversität kommt ein großer Wurf. Wir sind in der richtigen Zeit am richtigen Ort. Man giert nach einer größeren Idee. Wir sind mittendrin in der Diskussion und gleichzeitig ganz vorn.