Kommt Zeit, kommt Geld

■ NS-Opfer müssen auf Hilfe warten

Bonn (rtr/AFP) – Im Streit über die Entschädigung für osteuropäische NS- Opfer gibt es erste Annäherungen, aber noch keinen Durchbruch. Kanzleramtsminister Friedrich Bohl (CDU) und der Vizepräsident der Jewish Claims Conference (JCC), Israel Singer, kündigten gestern in Bonn an, eine Arbeitsgruppe solle binnen drei Monaten Lösungswege aufzeigen. Bohl bekräftigte die deutsche Rechtsposition, daß diese Menschen keinen Anspruch auf individuelle Entschädigung hätten. Es seien aber Lösungen denkbar, die den Bedürfnissen der Betroffenen besser entsprächen, als es bisher der Fall sei.

KZ-Überlebende und andere NS- Opfer, die im früheren Ostblock leben, haben im Gegensatz zu ihren Leidensgenossen im Westen bisher keinen Anspruch auf Einzelentschädigung oder Rente. Bohl sagte, die Bundesregierung wolle diesen Menschen besser helfen als bisher. Man habe erste Überlegungen ausgetauscht, die aber noch nicht öffentlich diskutiert werden sollten. „Wir wollen eine rasche Lösung“, betonte der Minister. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, hatte vor dem Treffen eine Zahlung von Individualrenten an die Opfer gefordert.

Singer sagte, das Gespräch sei in dem Geiste geführt worden, daß diese menschlichen Probleme menschlich gelöst werden müßten. Helmut Kohl habe bei einem Treffen vor einem Jahr persönlich die Verantwortung dafür übernommen, daß etwas geschehe.

Bohl sagte vorbehaltlich der Zustimmung des Kabinetts auch eine zweite Arbeitsgruppe zu, in der die Forderung der Jewish Claims Conference nach Ausweitung der Opferdefinition behandelt werden soll. Die Schätzungen, wie viele Menschen noch Anspruch auf Entschädigung haben, gehen weit auseinander. Die Jewish Claims Conference spricht von 15.000 bis 20.000 Opfern, die World Jewish Restitution Organisation in Tel Aviv von 100.000. Bericht Seite 4