Atom-Torpedos gegen Windpark

■ Als umweltschädlich und nutzlos kritisiert der Bundesverband Landschaftsschutz den Ausbau der Windenergie und macht gegen alternative Stromerzeugung mobil. "Die Tage der Windkraft sind gezählt"

Bernd Burmeister ist sauer. Drei Jahre hat er sich für einen deutsch-dänischen Grenzland- Windpark stark gemacht. „Wenn diese dubiosen Naturschützer nicht gekommen wären, hätten wir unser Projekt realisieren können“, meint Burmeister. Im Kreis Schleswig-Flensburg sollten auf dem Gebiet der Gemeinden Weesby, Jardelund und Böxlund rund 60 Micon-Windmühlen hochgezogen werden. Auf dänischer Seite wollte sich die Kommune Tingleff an diesem Vorhaben beteiligen. Dort sollen nach den Plänen der Betreibergesellschaft Windia Aps 30 Windkraftanlagen (WKA) aufgestellt werden.

Die dänischen Investoren können aufatmen. In Tinglev gibt es keinen Widerstand, keine Naturschützer, die zum Sturm auf die Windmühlen blasen. Doch ist das 170-Millionen-Projekt vorläufig auf Eis gelegt. „Es ist bedauerlich, daß sich die deutschen Gemeinden in Bürgerentscheiden dagegen ausgesprochen haben“, erklärte der schleswig-holsteinische Energieminister Claus Möller.

Dabei lief bei der Verwirklichung von Europas größtem Windpark zunächst alles nach Plan. Gutachten wurden erstellt, die Netzanschlußmöglichkeiten überprüft, die Einspeisevergütung wurde kalkuliert und selbst ein Förderungsantrag bei der Brüsseler EU-Kommission lag schon vor. Aus dem EU-Programm „Thermie“ sollten Millionenbeträge in den Bau eines neuen Umspannwerks fließen, damit die jährlich zu erwartenden 160 Millionen kWh Windstrom auch in die Leitung eingespeist werden konnten. Das Landschaftsplanungsbüro Pro Regione hatte im Auftrag der Gemeinden Jardelund und Weesby ein Sondergutachten erstellt. „Bis Anfang November 1995 gab es überhaupt keine Probleme und keinen Widerstand hier“, meint Weesbys Bürgermeister Geert Voss. 30 Windmühlen sollten installiert werden.

Die Wende wurde in dem 459-Seelen-Dorf am 14. November 1995 eingeleitet. „Windkraft für die Gemeinde Weesby, ja oder nein?“ lautete das Thema einer Informationsveranstaltung, zu der der 48jährige Starkstromelektriker Burkhard Dümchen eingeladen hatte. Dümchen arbeitet „nur zufällig in einem Kraftwerk, aber nicht aus diesem Grund bin ich gegen die Windenergie“. Nach der ersten Veranstaltung ging alles Schlag auf Schlag.

Aus dem benachbarten Emmelsbüll bekam Dümchen die Munition für seine Attacken gegen die Nutzung der Windenergie in Weesby. Dort lebt der pensionierte Tierarzt Dieter Schönfelder. Bereits im Mai 1995 gründete Schönfelder mit einer handvoll Gleichgesinnter den Bundesverband Landschaftsschutz (BLS). „Wir wollen die Windkraft kippen, wir wollen den rotierenden Wahnsinn beenden“, erklärt Schönfelder. In einem Positionspapier des BLS heißt es: „Nach exakten Untersuchungen ist die Windkraft für die Energiegewinnung und den Klimaschutz im Ergebnis wirkungslos. In einer Zeit großer Sozialkürzungen ist die hochsubventionierte Umweltzerstörung durch die Windkraft ein besonders empörender Skandal. Die Windkraft ist kein Klimaschutz, sondern eine skrupellose Ausbeutung vieler Bürger durch wenige Hersteller und Betreiber.“

Inhaltlich bezieht sich der BLS auf ein Papier des Leiters des Geodätischen Instituts der Technischen Hochschule Darmstadt, Professor Otfried Wolfrum. Seine Thesen zum „Großen Schwindel Windkraft“ wurden auch von Burkhard Dümchen in schöner Regelmäßigkeit zitiert, wenn er gegen die 30 Windräder in Weesby zu Felde zog. Für Knud Rehfelt, Energieexperte am Deutschen Windenergie-Institut in Wilhelmshaven, steht allerdings fest, daß der BLS mit seiner Argumentation „massiv die Interessen der Atomwirtschaft vertritt“. Und für Carlo Reeker vom Bundesverband Windenergie (BWE) ist klar, daß der BLS nur den Aufbau einer umweltorientierten Energiewirtschaft verhindern will. „Mit gezielten Falschmeldungen schießen Wolfrum und Schönfelder gegen die Windenergie“, meint Reeker. Bei der BWE-Zentrale in Osnabrück gibt es in den letzten sechs Monaten immer häufiger Anfragen zum BLS. Der Schaden, den die selbsternannten Landschaftsschützer bisher angerichtet haben, dürfe nicht unterschätzt werden, meint Reeker. Schließlich habe die kleine „Weesbyer Bürgerinitiative gegen die Windkraft“ mit Schützenhilfe des BLS ein 170-Millionen-Mark-Projekt verhindert.

Burkhard Dümchen hat sich bei seiner Kampagne gegen den Grenzlandpark vor Ort in Weesby ganz strikt an die Argumentationshilfen des BLS gehalten. In Postwurfsendungen der Bürgerinitiative tauchten immer wieder die gleichen Standardargumente auf: Das Stromeinspeisegesetz führe dazu, daß die Windkraft subventioniert werde und diese Kosten auf alle Bürger im Bereich der Schleswag umgelegt würden. Dadurch stiegen die Stromkosten. Häuser und Grundstücke erführen eine Wertminderung, die in der Regel bei 20 Prozent läge. Die Bewohner würden durch Lärm und den Licht-Schatten-Effekt der Rotoren, den sogenannten Disco-Effekt, belastet. „Die Weesbyer wissen, welche unzumutbaren Belastungen von Windkraftanlagen ausgehen, denn wir haben bereits sieben davon im Dorf“, meint Dümchen.

Von Anfang an stand für die WKA-Gegener fest, mit einem Bürgerentscheid den deutsch-dänischen Windpark zu verhindern. Am 1. Juni sprach sich die Mehrheit der Weesbyer Bürger gegen das Projekt aus. Vier Wochen später, am 3. August, kippten die vom BLS unterstützten Bürgerinitiativen in Böxlund und Jardelund auch dort die Pläne. Erst in zwei Jahren kann erneut darüber entschieden werden, ob die Micon- Anlagen doch gebaut werden dürfen. „Nur mit Panikmache und persönlicher Diffamierung ist es den vom BLS gesteuerten Bürgerinitiativen gelungen, solche Bürgerbegehren durchzuboxen“, meint der Geschäftsführer der Weesbyer Betreibergesellschaft, Bernd Burmeister.

Der BLS fühlt sich durch diesen Erfolg im Norden angespornt. Nun will man den Ausbau von Windparks im Binnenland verhindern. „Ob im Münsterland, im Saarland oder am Niederrhein, überall dort, wo Windparks geplant sind, formiert sich mit Unterstützung des BLS Widerstand gegen die Anlagen“, weiß Carlo Reeker.

Auch in Bonn macht der BLS Druck. Öffentlich fordert der Verband die Bundesregierung auf, die Subventionen für Windenergie zu stoppen. Dieter Krämer, Architekt aus dem Westerwald und Schriftführer des BLS, verschickt auf Anfrage Kampagnenmaterial und vor allem Tips und Ratschläge zur Gründung von Bürgerinitiativen. „Wenn wir Hunderte Bürgerentscheide wie in Weesby durchbekommen, dann sind die Tage der Windkraft in Deutschland gezählt“, meint Krämer. Klaus Heck