Keine kriminelle Vereinigung

■ Koblenzer OLG stellt Verfahren gegen vier mutmaßliche Redakteure der links-autonomen Zeitschrift „radikal“ ein

Hamburg (taz) – Das Verfahren ist zu Ende. Wie gestern bekannt wurde, stellte das Koblenzer Oberlandesgericht (OLG) das Verfahren gegen vier angebliche Mitarbeiter der verbotenen links-autonomen Zeitschrift radikal Ende August ein. Die vier Angeklagten hatten sich zuvor bereiterklärt, eine Geldbuße von jeweils 1.000 Mark zu zahlen und auf eine Entschädigung für ihre halbjährige Untersuchungshaft zu verzichten.

Die Bundesanwaltschaft (BAW) hatte den vier Männern vorgeworfen, durch ihre angebliche Mitarbeit an der radikal Mitglied in einer kriminellen Vereinigung gewesen zu sein. Diese hätte es sich zum Ziel gemacht, für terroristische Vereinigungen zu werben. Besonders die Veröffentlichung von Anleitungen für Sabotage-Anschläge und von Bekennerschreiben links-militanter Gruppen hatten die radikal ins Fadenkreuz der Ermittler gerückt.

In seiner Einstellungsbegründung hat das Koblenzer OLG diese Rechtsauffassung klar „verneint“. Für Andreas Ehresmann, einen der vier Beschuldigten, ist diese Rechtsprechung „der wichtigste Erfolg“ des Verfahrens. Der Versuch der BAW, eine linke Zeitung pauschal zu kriminalisieren, sei durch den Koblenzer Beschluß „abgewehrt worden“. Die bundesweite Solibewegung zu den radikal-Anklagen geht in einer Erklärung zudem davon aus, daß der Karlsruher Beschluß „richtungsweisende“ Bedeutung haben wird. In Düsseldorf, Berlin und Kiel laufen weitere Verfahren gegen Personen, denen die Mitgliedschaft in der „kriminellen Vereinigung“ radikal vorgeworfen wird.

Dem unspektakulären Ausgang des Koblenzer Verfahrens war eine beispiellose Ermittlungstätigkeit vorausgegangen. Im Herbst 1993 hatte das rheinisch-westfälische Landeskriminalamt im Rahmen des längsten bekanntgewordenen Lauschangriffs der bundesdeutschen Geschichte ein Treffen der radikal-Redaktion in der Eifel mitgeschnitten. Anschließend wurden die vermeintlichen TeilnehmerInnen der Sitzung anderthalb Jahre lang bis in den letzten Winkel ihres Lebens observiert. Versteckte Kameras wurden gegenüber ihren Wohnungen angebracht, Post geöffnet, Telefone abgehört. Die im Herbst 1993 begonnene Mammutobservation endete erst, als am 13. Juni 1995 bundesweit 55 Wohnungen und Büros von der Polizei auf den Kopf gestellt und vier der acht gesuchten Redaktionsmitglieder verhaftet wurden. Die festgenommenen Männer, deren Verfahren jetzt endet, blieben unter isolierten Verwahrungsbedingungen ein halbes Jahr in U-Haft. Zu Haftprüfungsterminen wurden sie wie Top-Terroristen vorgeführt: flankiert von Polizisten mit Maschinenpistolen und mit aneinandergeketteten Hand- und Fußfesseln bewegungsunfähig gemacht. Marco Carini