Ehebruch als Konvention

■ Dieter Löbach über Kotzebues Menschenhaß und Reue

„Auf dem Theater sind inzwischen alle Tabus verletzt, alle Provokationen erprobt worden. Was kann jetzt noch anderes kommen als ein Theater der Gefühle!“ Mit diesem Bekenntnis begründet Regisseur Dieter Löbach seine Wahl von Kotzebues Menschenhaß und Reue, das heute im Theater im Zimmer Premiere hat: „Ich wollte große Emotionen.“ Die bietet das Stück allerdings zuhauf. Menschenhaß und Reue ist ein sentimentales Drama, das August von Kotzebue unmittelbar vor der Französischen Revolution schrieb. Der Erfolgsdramatiker des ausgehenden 18. Jahrhunderts, ein dezidierter Antiliberaler und Obrigkeitstreuer, verfaßte mehr als zweihundert Dramen. Wegen seiner reaktionären Haltung als „die in Weimar ausgeheckte Schmeißfliege“ geschmäht, kam er gewaltsam zu Tode.

Kotzebue wußte, was dem Publikum gefällt – der ausgezeichnete Theaterpraktiker arrangierte eine Handlung spannungsreich und gefühlvoll. In Menschenhaß und Reue arbeitet er mit einer kunstvoll gebauten, doppelten Verrätselung. Ein adliges Paar lebt getrennt, weil die Frau ihren Ehemann betrogen hat. Beide wohnen – ohne voneinander zu wissen – im selben Ort. Der Mann ist ein Misanthrop, doch „der Menschenhaß ist in seinem Kopfe, nicht in seinem Herzen“; die Frau hingegen bereut ihr Vergehen zutiefst. Beide tun Gutes – sie aus Schuldgefühl, er aus Herzensgüte. Wie beide einander begegnen und wieder zusammenkommen, ist an tränenreicher Rührseligkeit kaum zu überbieten: „Ich verzeihe dir“, lautet der letzte Satz des Stückes. Für die Zuschauer ist die Identität des Ehemannes anfangs unbekannt. Als dieses Rätsel dann gelüftet wird, bleibt die (Schein-)Frage, ob es zur Versöhnung kommen wird? Diese behindere, so Löbach, neben der Konvention aber auch die Angst beider Figuren vor dem neuerlichen Zusammenleben. Zwar tastet Kotzebue die Standesordnung nicht an, unterläuft aber mit dem letztendlichen Verzeihen eines weiblichen Ehebruchs den Sittenkanon seiner Zeit.

Wie kann dies heute auf die Bühne gebracht werden? Löbach läßt das Drama sichtbar von einer Schauspieltruppe aufführen, erfindet sich ein Stück im Stück und zieht damit eine distanzschaffende Ebene ein, strebt eine Balance zwischen Sentiment und Beobachtung an. Zum Abschluß dieser Spielzeit gibt es also ein „leichtes“ Stück im Theater im Zimmer – das Leichte, das so schwer zu machen ist.

Frauke Hamann

Theater im Zimmer: 18. bis 28. Mai, jeweils 20 Uhr