Atommüll-Züge rollen durch Bremen

■ Zur Plutonium-Drehscheibe Norddeutschlands haben sich Bremen und Bremerhaven entwickelt, sagt Greenpeace / Umweltschützer fordern Transport-Stopp durch das Stadtgebiet

„Bremen und Bremerhaven haben sich zur Plutoniumdrehscheibe Norddeutschlands gemausert“, sagt Jörn Roggenkamp von Greenpeace Bremen, „und das geschah heimlich, still und leise.“Das bestätigt auf ihre Art die Innenbehörde: „Wir sind unterrichtet, wir sagen aber nichts“, so erschöpfend informiert der Sprecher des Innensenators, Stefan Luft, über Atommülltransporte durch das Bremer Stadtgebiet.

Ob angereicherte Atombrennstäbe aus der französischen Wiederaufbereitungsanlage (WAA) La Hague für deutsche Reaktoren oder strahlende, abgebrannte Brennstäbe aus den norddeutschen Atommeilern Esensham, Grohnde, Stade, Brunsbüttel und Brokdorf für die WAAs Sellafield (England) und Dounreay (Schottland), alles was prickelt vor Bequerel nutzt Straßen, Schienen oder Häfen Bremens oder Bremerhafens. Erst im Frühjahr dieses Jahres, sagt Greenpeacer Roggenkamp, habe der belgische Innenminister verboten, weiterhin abgebrannte Atombrennstäbe aus Karlsruhe von Ostende mit dem Flugzeug nach Dounreay zu schicken. Auch diese Transporte würden jetzt über Bremerhaven abgewickelt.

Nachdem sich das ostfriesiche Emden und das schleswig-holsteinische Lübeck vor gut sechs Jahren geweigert hatten, weiterhin Atomtransporte über ihre Häfen zu dulden und überhaupt kein Atommüll über Hamburg gehe, sei Bremerhaven der einzige deutsche Hafen überhaupt, der Atommüll verschifft. „Wir haben im letzten Jahr ein Gutachten erstellen lassen, das eindeutig festlegt, daß wir diese Transporte nicht verweigern können“, sagt der Sprecher des Häfensenators, Ernst-Rüdiger Staats. „Wir wickeln sie schnell, sicher und ohne Verzögerungen ab.“

„Falsch“, sagt Greenpeace. „Unsere Juristen sagen, Bremen hat genauso eine Chance wie Emden und Lübeck. Der Häfensenator kann Gefahrengüter der Klasse sieben verweigern.“Roggenkamp ahnt, warum der Häfensenator sich gar nicht verweigern will: „Der will einen Universalhafen, über den einfach alles verschifft werden darf.“

Nicht nur in Bremerhaven können BürgerInnen und BesucherInnen in den Strahlkegel des Atommülls gelangen. Aus seinem Bremerhavener Wohnungsfenster hat Roggenkamp die atombeladenen LKW beobachtet, wie sie am Co-lumbusbahnhof oder am Anleger der Fahrgastschiffe vorbeirauschen. Auch der Bremer Hauptbahnhof ist beliebter Treff der Atombeobachter des Bremer Anti-Atom-Forums. „Regelmäßig fahren Atomzüge durch das Bremer Stadtgebiet und den Hauptbahnhof“, weiß Bernhard Stövesand, einer der Atomtransportfinder. „Die Züge rollen auch nach Gröpelingen, halten da oft stundenlang und werden auf den Geleisen rangiert.“

Nach den Beobachtungen Bremer Anti-Atom-Gruppen fahren viele Atomtransporte nicht als Sonderzüge. Sie warten, bis sie an normale Transportzüge angekoppelt werden.

„Die Stadt Frankfurt hat jetzt nach langen Verhandlungen mit der Bahn erreicht, daß Atomzüge nicht mehr durch das Stadtgebiet und nicht durch den Hauptbahnhof geleitet werden,“sagt Bernd Stövesand. In der nächsten Woche wollen Atomtransportgegner Aktionen gegen die Verschiebung von radioaktivem Müll starten. In Bremen fordern Naturschützer und Atomgegner den Senat auf, ähnlich wie Frankfurt, keine Atomtransporte mehr durch das Stadtgebiet rollen zu lassen. Thomas Schumacher