Electric Linus zerhackt Schubert-Platten

■ Ungeeignet für Prodigy-Fans und Easy Listener: elf attn industries funktionieren lauter unangenehme Geräusche in Klangkunst parallel zum Techno-Universum um

Zur Eröffnung stellt uns der Computer sein Equipment inklusive der Humanakteure vor, unterlegt von einem Rhythmus, den eine Plattennadel und ein Burger-King- Teller im Moment der Vereinigung zu erzeugen wissen. Wenige Minuten später kreischt die Nadel über eine Stahlscheibe, über Glas, über Papier und diverse andere Materialien, die sich irgendwie auf einem Plattenteller plazieren lassen, darunter manchmal sogar klassisches Vinyl, das damit allerdings seine letzten Runden gedreht haben dürfte. Plattensammler ist der DJ offenbar nicht.

Seltsamerweise entsteht dabei trotz der Ansammlung eigentlich unangenehmer Geräusche eine faszinierende Kakophonie, die während ihrer Live-Uraufführung beim „Donaufestival“ im österreichischen Krems diesen Sommer die gerade vor oder nach ihren eigenen Auftritten pausierende Klangkünstleravantgarde ebenso wie techno-ungeübte Ohren in ihren Bann zog.

Elf attn industries ist ein gemeinsames Projekt des 40jährigen Theatersoundtüftlers und Profimusikers Michael Zimmermann (prof. m. z.) und des 24jährigen Schwaben Karsten Drohsel (alias dr. louis jäger alias Electric Linus), der regelmäßig zum Beispiel im Münchener „Ultraschall“ auflegt, eine Experimentalsound-Sendung in einem Freien Radio gestaltet und auch für so manch anderen interessanten Event verantwortlich zeichnete, aber zur Vermeidung eines ungehörigen Bekanntheitsgrades – Kommerz! – für beinahe jedes seiner unzähligen Projekte einen neuen Namen wählt.

Während der DJ für uns seine Platten(nadel)sammlung dezimiert, jagt prof. m. z. die anmutige Stimme von Maria Callas durch den Computer oder zerhackt Schuberts „Winterreise“ mit Hilfe diverser elektronischer Instrumente, die zum Teil aus Arztpraxen zu stammen scheinen. Elf attn industries bieten auf ihrer nur im Eigenvertrieb erhältlichen Debüt-CD aufregende Klangkunst jenseits von Kirmesetechno und Prodigy-Pop, ungeeignet für Easy Listeners. Doch einmal gefangen, kommt das Ende nach 60 Minuten überraschend schnell – um dann doch noch einmal mit „My Way“ in der Version von Sex Pistol Sid Vicious als Zugabe proklamatisch einen einzigen, völlig unberührten Song zu präsentieren, der nach dem Soundgewitter des Duos wie ein lieblicher Schlager aus glücklicheren Zeiten klingt. Klaus Farin

Bezug der CD über Karsten Drohsel, Postfach 1105, 73269 Hochdorf, 20 DM