Nicht jeder Autor eine Blüte

■ Geld regiert die Welt! Eine Anthologie 40 Bremer AutorInnen kämpft dagegen an

„Diese stadt ist ein langgestrecktes nasses etwas, eine beleidigung am fluß und ein schandhafen. Sie ist die niedertracht selbst, ein abgrund von verrat und ein schwarzes loch.“Rudolph Bauer, Autor dieser Zeilen, als eingefleischten Bremen-Liebhaber zu bezeichnen, wäre vermutlich leicht übertrieben. Seit 26 Jahren wohnt der gebürtige Amberger in dem Loch, dessen Theater er für „thrombotisch“hält, dessen Museen er voll „von schlangen und ottern“sieht, und dessen Straßenbahnen er nicht gern benutzt, weil in ihnen „die mordlust wütet“. „Stadtbeschreibung“nennt Bauer seine hemmungslose vierseitige Tirade gegen alles und jeden in dieser Stadt. Sie ist gewalttätig, ungerecht, maßlos – und gut.

Diesem gelungenen Auftakt der von Heide Marie Voigt herausgegebenen Anthologie „Bremer Blüten“folgt der lange, anstrengende Marsch durch die literarische Wüste. Denn das, was laut Buchdeckel „Menschen aus Bremen zum Thema Geld“zu sagen haben, ist zumeist nicht von der Qualität, daß einem die Talerchen vor Begeisterung aus der Geldbörse springen, um die Textsammlung zu erwerben.

Dabei war das ursprüngliche Konzept des Fotografen Frank Pusch durchaus interessant. In Zeiten, wo das Bermudadreieck Strukturkrise-Werftenschließung-Finanzausgleich die vergangenen 20 Jahre Bremer Stadtgeschichte lückenlos abzudecken scheint, hatte der Fotojournalist die Idee, aus unterschiedlichen literarischen Perspektiven das überstrapazierte Thema Geld neu in den Blick zu nehmen.

Herausgekommen ist ein Buch, in dem Tierfabeln, Kurzdramen, plattdeutsche Texte, Balladen, Lieder, Märchen und Gedichte sich darum mühen, Originelles und Anspruchsvolles über das Geld zu sagen. Abgesehen von einigen Ausnahmen – etwa Brigitte Röttgers, Ian Watson oder Maria Mathieu – gelingt dieses Unterfangen leider nicht.

„Arbeitsgebiet: Lyrik“steht nicht selten in den Kurzbiografien am Ende des Buches. Wenn man dann Zeilen liest im Klaus „Tausendmal berührt“Lage-Stil: „Ohne Moos/ nix los/ ohne Kies/ alles mies/“bzw. „ohne money/ keinen honey/ ohne Zunder/ keinen Plunder“, weiß man, daß harte Arbeit nicht zwangsläufig zum Erfolg führt. Auch der Versuch, eines persiflierenden Regierungsliedes: "Könnten wir nicht den Roland verscheuern?/ Könnten wir nicht das Atmen besteuern?/ Wir brauchen Geld, Geld, Geld, Geld;/ wir brauchen Geld.“, verreckt weit vor der Ziellinie an Reimverstopfung.

Überhaupt stößt mit der Dauer der Lektüre unangenehm auf, daß es, von wenigen Ausnahmen abgesehen, LehrerInnen, RedakteurInnen und HochschuldozentInnen sind, die über die menschenverachtenden Grundsätze des Kapitalismus klagen. Nicht die Sehnsucht nach authentischem Leiden, sondern vielmehr der krasse Gegensatz zwischen den in aller Regel vorwurfsvollen Anklagen gegen „das System“in Kombination mit den AutorInnenfotoporträts, die neben jedem Text stehen, ruft mit der Zeit Bauchweh hervor. „Ich bin schwer gebildet“rufen die Bilder dem Betrachter permanent zu. Und daß bei diesen Selbstinzenierungen kaum jemand vermeidet, die heimische Kunstdruck- und Büchersammlung vorteilhaft ins Bild zu rücken, kommt erschwerend hinzu. Wie erholsam wirkt da zwischendrin der Anblick des verschlafenen Friedrich Maria Rudel vor der morgendlichen Tasse Kaffee!

Kunst darf bekanntlich alles, aber schlecht muß sie nicht sein. Viele Texte sind eher bemüht als gut, politisch korrekt, aber für meinen Geschmack literarisch kaum überzeugend. Was schreibt der schon gelobte Rudolph Bauer? „Die journalisten sind taub, die sozialarbeiter ratten, die kulturredakteure rotz.“Tja, mit diesen Vorwürfen muß ich arme Rotznase jetzt sicherlich leben lernen. zott

Das Buch „Bremer Blüten“wird am 18. September um 20 Uhr in der Stadtbibliothek Neustadt vorgestellt. Es hat 152 Seiten und kostet 29,80 Mark