Nord-Koreas Türspäher

Die Regierung in Pjöngjang will Beziehungen zu Deutschland ausbauen. Die Bundesregierung blockt  ■ Von Hugh Williamson

Berlin (taz) – Jeden Donnerstag landet eine betagte Maschine der Air Koryo auf dem Berliner Flughafen Schönefeld. Freitags fliegt sie wieder nach Pjöngjang zurück. Der wöchentliche Flug ist Nord- Koreas einzige Luftverbindung mit dem Westen. Er symbolisiert sowohl die früheren Beziehungen zur DDR als auch die gegenwärtigen Bemühungen Nord-Koreas, via Deutschland die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit der Europäischen Union und anderen Industrieländern auszubauen.

„Unsere Tür ist weit geöffnet“, sagte Nord-Koreas Vizeaußenminister Kim Chang Ryong im März bei seinem Deutschlandbesuch mit Blick auf bessere Beziehungen zu Bonn. In Deutschland sind die Türen der Politiker allerdings geschlossen. Das hält Nord-Korea nicht davon ab, über die Vertretung der deutschen Wirtschaft und andere, teilweise bizarre Projekte einen Weg durch die Hintertür zu suchen. Bonn habe keine diplomatischen Beziehungen zu Pjöngjang wegen enger Beziehungen zu Washington und Seoul, so ein Beamter aus dem Auswärtigen Amt. Bonn hat Nord-Korea aber seit 1995 mit bilateraler Lebensmittelhilfe im Wert von 25 Millionen US- Dollar unterstützt.

In Nord-Korea nimmt Schweden die deutschen Interessen wahr, dessen Vertretung in der früheren DDR-Botschaft untergebracht ist. Die zehn nordkoreanischen Diplomaten in Deutschland sitzen in ihrem früheren Ostberliner Botschaftsgebäude. Obwohl es heute nur eine Nebenstelle des chinesischen Konsulats in Berlin ist, wird die schwergewichtige Mission von Kang Jung Mo geführt, dem Vizepräsidenten der nordkoreanischen Agentur zur Förderung des Außenhandels. Auch der Halbbruder von Staatspräsident Kim Jong Il arbeitet in der Berliner Vertretung.

Die Beziehungen der DDR zu Nord-Korea waren so eng, daß Kim Il Sung Erich Honecker nach dem Mauerfall politisches Asyl in Pjöngjang anbot. Nach Angaben deutscher Diplomaten betone Nord-Korea heute die Vereinigungsfrage, doch tatsächlich sei es mehr an wirtschaftlicher Hilfe interessiert und fürchte das Beispiel der deutschen Vereinigung. Der nordkoreanische Offizier Choe Ju Hwal, der letztes Jahr in den Süden floh, sagte: „Nord-Koreas Führung leidet an einer DDR-Phobie – sie fürchtet die Versklavung.“

Trotz Bonns Zurückhaltung ist die deutsche Wirtschaft offener für Geschäfte mit Pjöngjang als Firmen aus anderen europäischen Ländern. Der Handel ist mit 62 Millionen Dollar gering, 1994 lag er noch bei 104 Millionen. Doch die traditionellen Beziehungen der ostdeutschen Wirtschaft und die neuen Interessen westdeutscher Firmen tragen schon Früchte. Deutsche Firmen durften als einzige eine gemeinsames Büro in Pjöngjang eröffnen. „Wir sind dort vor allem, um die Wirtschaft zu beobachten“, sagt Martin Müns vom Ostasiatischen Verein in Hamburg, der das Büro der 18 Firmen betreibt. Dazu gehören Siemens, Daimler-Benz und BASF, die je etwa 10.000 Dollar pro Jahr zahlen.

„Die Geschäftsaussichten sind schlecht, aber wir müssen vor Ort sein“, sagt Thomas Weber von Siemens. Der Konzern hat Pjöngjang Anfang der 90er Jahre Verkehrsampeln verkauft. Seit der Eröffnung des Büros im November 1995 wurden nur wenige Geschäfte abgeschlossen. Dazu gehört die geplante Lieferung von Agrochemie durch die Hoechst-Tochter Agrevo. Letztes Jahr verkaufte ein Berliner Händler 120 frühere Ostberliner U-Bahn-Waggons für 2,4 Millionen Mark nach Pjöngjang. Zwischen 1994 bis 1996 exportierte die Deutsche Gesellschaft für Kunsstoffrecycling („Der grüne Punkt“) 95.000 Tonnen Plastikmüll nach Nord-Korea. Der Versuch zu einem neuen Müllgeschäft wurde nach Protesten aus Süd-Korea aufgegeben.

Doch die Wirtschaftsbeziehungen sind nicht einseitig. 1994/95 hat Nord-Korea mit der Stadt Chemnitz versucht, Pläne für ein „euro- asiatisches Technologiezentrum“ zu verwirklichen. Das Zentrum sollte Hunderte nordkoreanischer und deutscher Wissenschaftler beschäftigen, die Technologien zur Wasseraufbereitung entwickeln sollten. Dabei waren auch Verfahren geplant, die mit der Herstellung chemischer und biologischer Waffen in Verbindung stehen. Die benötigten 300 Millionen Dollar sollten auf den internationalen Finanzmärkten mobilisiert werden. Nord-Korea will angeblich bereits 4,6 Milliarden Dollar an Investitionsgarantien erhalten haben. Chemnitz und die sächsische Landesregierung hatten die Garantien akzeptiert und Pjöngjang günstige Bedingungen geboten. Insider sagen, das Projekt sei zusammengebrochen, als Nord- Korea nicht konkrete Forschungsprojekte benennen konnte. Auch soll die Bundesregierung das Projekt blockiert haben.

Dies würde zu Bonns Bedenken passen. Letztes Jahr verbot die Regierung den Export von 1.200 Lkw aus früheren NVA-Beständen nach Nord-Korea, weil sie militärisch genutzt werden könnten. Nach Meinung des Auswärtigen Amts sollte Pjöngjang erst einmal seine 220 Millonen Dollar Schulden bei deutschen Firmen begleichen und seine Berliner Diplomaten an die Kandarre nehmen. Nach Informationen aus Geheimdienstkreisen schmuggeln sie Drogen, technisches Material und Waffen.