Die Glocke erwartet Sie!

■ Acht wichtige Bremer Musikinstitutionen präsentieren sich einträchtig auf der Hamburger klassik.komm

Eben alles nur eine Frage der richtigen Präsentation! – Auf ein professionelles Marketing kann heute keiner mehr verzichten!! – Kooperation und Koordination müssen einfach stimmen!!! Solche Schlagworte tosen – mit zupackender, markiger Stimme vorgetragen – durch die Betriebe, Büros und Behörden der ganzen Welt; solche Schlagworte können natürlich auch an der klassischen Musik nicht ungehört vorübergehen. Kaum steht eine Finanzkrise vor der Tür – mittlerweile erdreistet sich diese Krise mit uns zu Bett zu gehen – gilt es ein Gremium zu gründen, Absprachen zu treffen und – besonders wichtig – in den Besitz eines schönen Prospektes kommen. Den trägt man vor sich her, und wenn the wind of chance allzu eisig wird, fächelt man ihn einfach mit edler Selbstdarstellung auf Glanzpapier hinweg. Wenn's eng wird, gilt es besser zu sein als die anderen; the survival of the fitest. Ach übrigens: die Sache funktioniert!

Zehn Bremer Institutionen, die irgend etwas mit Klassik am Hut haben, das Staatsorchester, die Hochschule für Künste, Radio Bremen, die Veranstaltungs-GmbH Glocke etc, haben sich vor eineinhalb Jahren zusammen getan. Im „Arbeitskreis Musikstadt Bremen“wollen sie ganz schlichte Dinge zuwege bringen: zum Beispiel dafür Sorge tragen, daß nicht mehrere musikalische Highlights an ein- und demselben Tag stattfinden. Fünf präsentierten sich auf der letztjährigen klassik.komm (zu beachten: die kunstvolle Orthographie) in Köln, acht in diesem Jahr auf der klassik.komm in Hamburg Ende September.

Wozu? Frau Kormann, die Koordinatorin des Arbeitskreises, hat keinen sehr exakten Eindruck von den Vorgängen auf einer klassik.komm. Kommen dort Veranstalter hin, um Konzerte zu buchen? Kaufen Privatpersonen ihre Instrumente? Frau Kormann scheint eher beflügelt von einer vagen Intuition, die da sagt, daß gemeinsames Auftreten stark macht. Immerhin sei Bremen die einzige Stadt, die sich als geschlossenes Klanggebilde präsentiere. Und das sei auf „großes Interesse“gestoßen. Interesse von wem und mit welchem konkreten Nutzen? Mein Hund ist der einzige Hund, der „Yesterday“rückwärts jaulen kann; und kriegt deshalb keinen Kringel Frolic mehr.

Frau Mey von der Kammerphilharmonie erzählt allerdings, daß der gemeinsame Auftritt für ihr Ensemble im letzten Jahr tatsächlich von Vorteil war. Das läßt sich zwar nicht beziffern in der Zahl von Konzert-Buchungen. Allerdings mache es das Logo Bremen tatsächlich leichter Kontakte zu knüpfen. Und Kontakte sind eben mal das A und O im Kulturbetrieb. So scheint der Arbeitskreis mitsamt seiner Idee des brüderlichen Schulterschlusses mitten im grausamen Konkurrenzsystem also doch Sinn zu geben. Trotzdem ist es zutiefst frustierend, daß veräußerlichtes Marketingdenken alles und jedes vereinnahmt. Irgendwann einmal machten Menschen Musik, weil es andere Menschen gab, die diese Musik hören wollten, einfach so, ohne angelockt und geködert zu werden. Heute muß alles mit Tricks, Getue, albernen Prospekten und viel Klingeling losgeschlagen werden: „die Glocke erwartet Sie!“ bk