■ Steuerreform: Keine Einigung zwischen Koalition und SPD
: SPD setzt auf ihre eigene Stärke

In den letzten Wochen mußte man fast Angst haben. Sollte die bereits vor Monaten gewonnene Gewißheit, daß es mit der Steuerreform ohnehin nichts mehr wird, doch noch hinfällig werden? Würden einen die Politiker eines Besseren belehren und beschließen, worin sie sich einig sind, statt aus parteitaktischen Überlegungen auf alles oder nichts zu setzen? Könnte es also doch zu den beachtlichen Änderungen kommen wie Senkung der Lohnnebenkosten, der Unternehmenssteuer, des Eingangssteuersatzes und Stopfen von Steuerschlupflöchern in Höhe von sage und schreibe 29 Milliarden Mark? Darüber, wohlgemerkt, ist man sich einig!

Diesmal hätten sich die Kontrahenten wirklich zusammenraufen können. Ihr Lieblingsargument, die unterschiedlichen Systeme vertrügen sich nicht miteinander und deshalb sei nicht mal eine Teileinigung möglich, hatten sie selber ausgeräumt. Die CDU kündigte einen Verzicht auf die Nettoentlastung an. Dabei halten selbst die Sozialdemokraten eine Nettoentlastung von sieben bis zehn Milliarden Mark für verkraftbar, weil eine Steuerreform Mehreinnahmen in dieser Höhe bringt. Sie reden nur nicht gerne darüber. Die Sozialdemokraten zeigten sich im Gegenzug bereit, den Spitzensteuersatz zu senken. Doch schon wieder ist man den Politikern auf den Leim gegangen. Sie haben sich erneut vertagt.

Diesmal trägt in erster Linie die SPD die Verantwortung dafür. Ihre Argumente sind vorgeschoben. Wenig überzeugend ist ihre Begründung, die von der Koalition geplante Senkung des Solizuschlages lasse keinen Raum für eine Steuerreform. Schließlich steht die Solisenkung bei den jetzigen Verhandlungen nicht zur Debatte. Die Koalition kann sie ohne Zustimmung der SPD verwirklichen. Zudem ist weder über die Senkung des Soli noch über die Gegenfinanzierung das letzte Wort gesprochen. Weiter verlangt die SPD ein neu durchgerechnetes Konzept. In Anbetracht dessen, daß niemand weiß, ob die SPD wirklich an einem Ergebnis interessiert ist, scheint das zuviel verlangt.

Die SPD will die um eine Einigung geradezu bettelnde Koalition um jeden Preis auflaufen lassen. Nicht zuletzt dank des auch von der Wirtschaft gelobten neuen Wirtschaftskonzepts fühlt sich die SPD im Aufwind. Sie setzt zunehmend auf vermeintliche eigene Stärken. Soll die Koalition doch sehen, wo sie bleibt. Markus Franz