Minenächter in vermintem Gelände

■ Hundert Staaten billigen ein Verbot von Antipersonenminen. Aber wo Minen noch eine Funktion haben, werden sie weiterhin liegenbleiben, zum Beispiel in Korea und an der russisch-finnischen Grenze

Genf/Stockholm (taz) – Rund hundert Staaten haben gestern in Oslo formell den Vertragstext für ein umfassendes Verbot von Antipersonenminen gebilligt. Allerdings haben die USA sich nicht beteiligt; die weltgrößten Minenhersteller Rußland, China und Indien waren bei den Verhandlungen in Oslo sowieso dabei, und neben den USA will nun auch Finnland den Text nicht unterschreiben. Der Grund ist in beiden Fällen ähnlich: US-Präsident Bill Clinton begründete die Weigerung seiner Regierung, dem Abkommen beizutreten, mit dem Scheitern der Forderung nach einer Ausnahmeregelung für die Minen an der Demarkationslinie zwischen Nord- und Süd-Korea. Diese seien zum Schutz der dort stationierten US- Soldaten „unerläßlich“. Die finnische Regierung ihrerseits glaubt, auf die zur russischen Grenze hin liegenden Minen nach wie vor nicht verzichten zu können.

Das aus 22 Artikeln bestehende Vertragswerk soll im Dezember in der kanadischen Hauptstadt Ottawa offiziell unterzeichnet werden. Sechs Monate nach der Ratifizierung durch die Parlamente von vierzig Unterzeichnerstaaten tritt es offiziell in Kraft. Dies dürfte nach bisherigen Erfahrungen mit multilateralen Rüstungskontrollabkommen spätestens Ende 1999 der Fall sein.

Kinkel über US-Haltung „enttäuscht“

Die Vertragsstaaten verpflichten sich, „niemals und unter keinen Umständen Antipersonenminen zu verwenden, entwickeln, produzieren, erwerben, lagern oder sie direkt oder indirekt weiterzugeben“. Als Antipersonenminen definiert werden „Sprengsätze, die durch Anwesenheit, Nähe oder Kontakt zu Menschen explodieren und diese handlungsunfähig machen oder töten“. Bestehende Minenfelder müssen innerhalb festgelegter Fristen geräumt werden.

Am Ausscheren der USA äußerten Teilnehmer der dreiwöchigen Verhandlungen sowie zahlreiche internationale Medien zum Teil scharfe Kritik und äußerten die Erwartung, daß die Clinton- Administration dem Abkommen zu einem späteren Zeitpunkt beitritt. Bundesaußenminister Klaus Kinkel äußerte sich „enttäuscht“ über die Haltung der USA. Der deutsche Delegationsleiter in Oslo, Rüdiger Hartmann, sieht im Ausscheren der USA „ein Handikap für die Einbeziehung anderer Staaten“. Die polnische Tageszeitung Trybuna wertete das Ergebnis von Oslo als „Fiasko“ für die USA. Ähnlich lauteten die Kommentare in anderen Zeitungen.

Süd-Korea, das bei der Konferenz von Oslo lediglich als Beobachter anwesend war, kündigte gestern an, auf den Einsatz von Minen an der Grenze zu Nord-Korea festzuhalten. „Angesichts der militärischen Bedrohung durch Nord- Korea können wir auf den Gebrauch von Minen nicht verzichten“, sagte Lee Song Joo vom Seouler Außenministerium. Andreas Zumach, Reinhard Wolff