■ Ökolumne
: Marksteine und kleine Schritte Von Reiner König

Jubiläen sollen stolz machen, sollen Gelegenheit sein, auf hervorragende und richtungsweisende Leistungen zurückzublicken. Ganz nebenbei fällt bei solchen Jahrfeiern auf, daß oft ein halbes Jahrhundert oder noch mehr Jahre zu feiern, wenn nicht zu beklagen sind. Denn diese Gesellschaft wälzt sich in Historie und Revivalismus wie in Jelly – der sogenannte Zeitgeist scheint gefangen in der Vergangenheit. Zukunft braucht zwar Herkunft, wird aber nicht zugelassen, wenn die Rückwärtsorientierung allein zum Programm wird.

Der mangelnde Drive und Glaube an Zukunft wird noch klarer, wenn sich sogenannte politische Wendepunkte jähren. Dann können selbst die Hartgesottensten unter den Politprofis ihren Frust nicht verbergen. Ereignisse wie etwa das des nun tatsächlich bereits verstrichenen Jahrzehnts nach Abschluß des sogenannten „Montreal-Protokolls“ zur Eindämmung der weltweiten Nutzung von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) sind deshalb keine Feierstunden für Wirtschaft und Politik, sondern von Mahnern gesetzte Marksteine. Die daran erinnern, daß vieles Absicht geblieben ist, worüber so lange und hart gestritten wurde, daß manches verwässert, das meiste aber vertagt wurde: Der Berg hat gekreißt und gebar ein Mäuschen.

Einige Ausnahmen bestätigen diese Erfahrung. Zum Beispiel die der deutschen Hausgeräteindustrie, die – zugegeben, von Greenpeace stark motiviert – mittlerweile auf breiter Front von FCKW auf Kohlenwasserstoffe (KW) umgestiegen ist. Und sich nun gegen Importeure wehrt, die sozusagen durch die Hintertür doch in die Läden schieben, was vor dem Haupteingang unter dem Label „made in Germany“ heute gebrandmarkt wird.

Nun haben die Hausgerätehersteller am großen FCKW-Kunden nur begrenzten Anteil, was – Gott sei Dank – aber nicht als Blockadeargument genutzt wurde. Denn der gute Helfer im Haushalt wird immer mehr zum Kulminationspunkt nachhaltiger Entwicklung, da durch die lange Lebensdauer der Hausgeräte schon heute manche Betrachtung greift, die andere Branchen noch weit von sich weisen.

Ökologie und Ökonomie greifen im Haushalt stärker als anderswo ineinander, wenngleich immer noch die Ewiggestrigen auch in diesen Unternehmen der kurfristigen Betrachtung den Vorzug vor Zukunftsdenken geben.

Der Wechsel der Generationen wird hier besser über kurz als über lang den entscheidenden Ausschlag geben. Womit nicht die romantische Sehnsucht nach Wiederkehr der hellen (Um-)Welt gemeint ist, sondern die Fähigkeit, unsere Umwelt als betriebs- und volkswirtschaftliche Größe, als Ressource zu erkennen und schon wegen der notwendigen kaufmännischen und sozialen Risikominimierung besser ins Kalkül zu ziehen.

Deutschland braucht weniger eine romantische Betrachtung des Themas Umweltschutz, das sozusagen nur bei ökonomischem Schönwetter Geltung hat. Vielleicht hat die geschlossene Umweltszene den Fehler gemacht, sich ein Jahrzehnt lang ausschließlich auf Gesetzesinitiativen und eine ethische Diskussion zum Thema einzulassen.

Nun müssen endlich harte Fakten, berechenbare Risiken und eine Balance aller Kräfte mit ins Feld geführt werden. Die Bilanzen der Unternehmen müssen immer schon Soll und Haben über den Zeitraum eines Geschäftsjahres hinweg widerspiegeln, künftig auch unter ökologischen Gesichtspunkten.

Statt weiterer Gipfel und Konferenzen, statt der Verhaltungsmarathons formeller Gruppen und Staaten braucht es mehr pragmatische Lösungen. Der völlige Wandel des Marktes für Kältegeräte in Deutschland, der in der genannten Zehnjahresfrist sein Bild völlig geändert hat, scheint dafür zu sprechen.

Auch wenn diese Schritte klein sind und vielmillionenfach getan werden müssen, die Summe aller Teile ist beeindruckender als Protokolle, die – ob in Montreal, Berlin oder demnächst in Kyoto niedergeschrieben – oft nicht mehr sind als Protokolle. Zumindest wieder hervorzuholen beim nächsten Jubiläum.