Berliner Kripo auf Telefonzellen-Razzia

■ Aufladbare Telefonkarten bescheren der Telekom Schäden in Millionenhöhe

Berlin (taz) – Stolz präsentierte die Berliner Kripo gestern die Trophäen ihrer Jagd: ein Haufen aus bunten Telefonkarten, ohne besondere Motive und ohne Reiz für normale Sammler. Dennoch hat jede von ihnen auf dem Schwarzmarkt einen Wert von über 1.000 Mark. Das Besondere an diesen Karten: Statt des üblichen Chips ist verbotenerweise ein kleiner Computer eingebaut, der die Telefonkarte immer wieder neu auflädt.

Die Berliner Kripo hat in den letzten Wochen 183 dieser sogenannten „Simulatoren“ beschlagnahmt und 191 Täter, meist beim Telefonieren, festgenommen. Mit einigen beschlagnahmten Karten wurde im Wert von 40.000 Mark telefoniert. Seit Juni 1997 betrug der Schaden für die Telekom allein in Berlin zwei Millionen Mark. „Wir mußten etwas tun, der Markt drohte überzuschwappen“, sagt Inspektionsleiter Sigmar-Marcus Richter. Die Telekom hatte ein Peilverfahren entwickelt, mit dem Simulatoren aufgespürt werden können. Demnach wurden in Berlin im Juni pro Tag rund 2.200 Gespräche mit illegal umgerüsteten Telefonkarten geführt. Nach der Telefonzellen-Razzia sind es noch 89. Seit 1995 wurden in Berlin über 300 Simulatoren sichergestellt, damit sind 80 Prozent aus dem Telefonverkehr gezogen – ein Gemeinschaftswerk von Kripo und Telekom.

Der erste Simulator tauchte im März 1995 in Berlin auf. Ein 23jähriger Informatikstudent hatte zu Hause vier Simulatoren zum Eigengebrauch hergestellt. Zum lukrativen Geschäft wurden die Simulatoren ab 1996. Im Oktober nahm die Polizei einen zweiten Informatikstudenten fest. In seinem Zimmer fand sie 65 Simulatoren und einen Koffer mit rund 120.000 Mark. Der Student hatte die gefälschten Karten an Asylbewerber aus Vietnam vermietet, für 20 Mark pro halbe Stunde – sehr lohnenswert bei Auslandsgesprächen. Ein halbstündiges Gespräch nach Asien kostet normalerweise rund 100 Mark. Der Student wurde zu zwei Jahren und 10 Monaten ohne Bewährung verurteilt – wegen „elektronischer Urkundenfälschung“.

Seit Frühjahr ist ein neuer Simulator auf dem Markt, vermutlich aus Osteuropa. Diese Karten werden, so die Kripo, für 1.000 Mark pro Stück an Händler verkauft, die sie dann wiederum häufig an Asylbewerber und ausländische Studenten vermieten.

Ganz oben in der Rangliste der „Schwarztelefonierer“ stehen Hamburg und München. Berlin ist vom zweiten auf den 14. Platz abgerutscht. Nicol Ljubic