„Eine hervorragende Ausgangsposition“

■ Rezzo Schlauch, innenpolitischer Sprecher der Bündnisgrünen, zur Option Rot-Grün in Bonn

taz: In Baden-Württemberg, wo Sie erster Herausforderer des jetzigen Ministerpräsidenten Teufel waren, hat das Wahlkampfthema Innere Sicherheit viele Wähler zu den rechtsextremen Parteien getrieben. Sehen Sie eine Parallele zur Wahl in Hamburg?

Schlauch: Die drängt sich geradezu auf. Schon im Europa-Wahlkampf ist die SPD mit einem Plakat gegen organisierte Kriminalität kräftig abgeschifft. Bei den Landtagswahlen, als der SPD-Kandidat Dieter Spöri die Aussiedler- und Euro-Frage thematisiert hat, wurden die Reps, die niemand mehr auf der Rechnung hatte, richtig stark gemacht.

Ist die Situation in Hamburg nicht ein wenig anders? Schließlich wurde in der Bevölkerung ohnehin schon viel über die Kriminalität diskutiert. Nicht zuletzt nachdem sich ein 17jähriger Junge aus Angst vor einer türkischen Gang das Leben genommen hatte.

Wenn das so ist, dann geht das auf Kosten Voscheraus. Dem Schröder nimmt man ein paar markige Sprüche in Richtung Kriminalitätsbekämpfung ja noch ab, aber nicht der Partei und auch nicht Voscherau. Die Frage der Glaubwürdigkeit ist insofern wichtig, als die Hamburger SPD sich nahezu auf dieses eine Wahlkampfthema beschränkt hat. Wenn die Grünen sich als die Partei darstellen würden, die am meisten Kompetenz bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit besäße, würde sie ja auch keiner ernst nehmen.

Darf das Thema Innere Sicherheit überhaupt kein Wahlkampfthema mehr sein?

Es ist nicht damit getan, das Thema zu verleugnen. Wahlkampf ist Wahlkampf, und da muß man sich jedem brisanten Thema stellen. Es kommt nur darauf an, wie man das tut. Die Grünen sind ja in Hamburg auch notgedrungen auf den Zug aufgesprungen. Allerdings sehr differenziert. Auch in Baden-Württemberg sind wir dem Thema nicht aus dem Weg gegangen. Geschadet hat es uns nicht.

Können Sie sich vorstellen, daß die DVU möglicherweise noch mehr Stimmen bekommen hätte, wenn SPD und CDU die Innere Sicherheit ignoriert hätten?

Darauf weiß ich keine Antwort. Jedenfalls hilft Ignoranz nicht weiter. Das haben die Grünen feststellen müssen, als sie 1990 die Wiedervereinigung ignoriert haben. Unser damaliger Slogan: „Alle reden von Deutschland, wir vom Wetter“, ist uns um die Ohren geflogen.

Alle Welt kritisiert, daß Voscherau einen falschen Wahlkampf geführt hat. Verdeckt das aber nicht die Frage, ob er auch eine falsche Politik gemacht hat?

Das ist richtig. Andere Probleme werden dadurch nur verkleistert. Ich kann nicht wie Voscherau einen Oppositionswahlkampf führen, wenn ich seit zehn Jahren als Bürgermeister verantwortlich bin. Am Wahlabend wurde ein junger Mann gefragt, warum er die DVU gewählt habe. Er antwortete, er habe keinen Job und außerdem Angst vor den Türken-Gangs. Wenn soziale Desintegration so scharf sichtbar wird wie in Hamburg, dann muß das für die Regierung Konsequenzen haben.

Also hat die regierende Partei eins auf den Deckel bekommen? Das würde für die Bundestagswahl aus SPD-Sicht ja hoffen lassen.

Was Voscherau auf die Füße gefallen ist, wird 1998 auch auf das Konto von Kohl gebucht.

Bei aller Kritik der Grünen am Wahlkampf der Großen. Ist der Ausgang für die Grünen, vor allem aus bundespolitischer Sicht, nicht hervorragend?

Wir können uns freuen. Im Moment haben wir eine Drei-Parteien-Konstellation. Die Grünen sind in einer stabilen Position. Die FDP ist bedeutungslos geblieben. Das ist für den Bundestagswahlkampf eine hervorragende Ausgangsposition. Interview: Markus Franz