RAF in der Nischenversion

■ Orwochrom fehlt und auch sonst einiges. Macht aber nichts: Die Groteske "Raus aus der Haut" um zwei RAF-spielende DDR-Schüler hat was (20.15 Uhr, ARD)

Schon müssen sich die Ausstatter richtig Mühe geben, die alte DDR auf den Schirm zu schaffen. Schon muß man sich wundern, wo diese Tapete herkommt und das Hemd mit dem langen Kragen. Schon sieht die DDR aus wie die 50er in ARD-Geschichtsfilmen, irgendwie den Brötchen ähnlich, die im Bäckereifenster liegen und auf denen „Nur Dekoration!“ steht.

Vielleicht fehlt einfach nur Orwochrom. Denn eigentlich konnte man die DDR nur auf DDR-Filmmaterial authentisch abbilden, weil dessen pastellene Pfützigkeit mit dem „Sozialismus in den Farben der DDR“ (O-Ton Propaganda), wunderbar zusammenfloß. Nun ist die DDR also zum Kunstprodukt geworden. Und zur Kunstfläche. Oder wie anders als kraß künstlich soll man eine Geschichte wie „Raus aus der Haut“ verstehen, die der ORB zur ARD-Reihe „Wilde Herzen“ beisteuerte?

Es ist 1977, also Deutscher Herbst. Es ist DDR, also Tristesse. Es ist Abitur, also Angst und Liebe. Die Revolte kommt aus der antisozialistischen Presse. Anna bringt ein Bild von Gudrun Ensslin und Andreas Baader aus dem Spiegel mit in die Klasse. „Ein Liebespaar“, sagt sie, „ganz normal sehen die aus – wenn man die auf der Straße träfe.“ (Daß man zwar nicht sie, aber andere RAFler bald auf DDR-Straßen treffen konnte, gehört zwar nicht hierher, mildert die Absurdität unserer DDR/RAF- Geschichte aber etwas.)

Die spinnt sich munter fort, indem der fiese Lehrer Rottmann zuerst Anna mit dem Spiegel erwischt und dann Marcus, der versucht, das Corpus delicti zu vernichten. Die Studienbewerbungen stehen an, und der fiese Rottmann verkündet: Anna darf nicht Ärztin werden, Marcus soll sich als Offizier verpflichten. Aus. Aber Marcus hat sich in Anna verknallt, Anna dagegen in einen angepunkten (na ja) Sänger, der einen geilen Bus fährt und Totengräber ist, und Süße und Bitternis mischen sich nun aufs Plotentfaltendste.

Aber es kommt noch dicker: Anna findet die RAF gut und will auch so was aufziehen, Randy, der Sänger, ist realistisch und folglich dagegen. Marcus und Anna entführen den bösen Rottmann und sperren ihn in Omas Keller, während übers körnige Westfernsehen die Westterroristen flimmern. „Da ist man ja froh, in der DDR zu leben“, sagt Annas Vater.

Lehrer Rottmann in Omas Keller, das verhält sich zur echten RAF etwa so wie die DDR-Süßtafel zur Westschokolade – eine Art Nischengesellschaftsversion. Alle Hauptfiguren erweisen sich als Menschen, die an die Grenzen der Nische DDR gerieten. In dem Moment, in dem sie sie überschreiten, werden sie interessant. Der Fortgang ist nicht so entscheidend und auch etwas langatmig. Irgendwann kommt Oma zurück, findet Rottmann im Keller und versucht in Folge rührend, ihm seine Gefangenschaft zu erleichtern. Mit dem Freilassen läßt man sich etwas Zeit, denn auch Oma will, daß Anna Ärztin wird.

Wir haben uns schließlich dann doch entschieden, das Ganze gut zu finden: Erstens ist die Sache spannend und entwickelt eine hübsche Dynamik. Zweitens waren wir sehr angetan von der schönen Susanne Bormann, die die Anna spielt. Und dann gab uns das Ganze Anlaß für obige Räsonierereien über die Kunstfläche DDR und dergleichen. Und das ist doch was. Lutz Meier