Nicht für lau

■ Hamburg: Rot-Grün wird auch mit Runde schwierig

Die Euphorie ist unangebracht. Bei all den tagträumenden Grünen in Hamburg, die sich schon fast am Ziel rot- grüner Luftschlösser wähnen. Und bei all den SPD-Linken, die den Abgang des Kleinfürsten Voscherau mit der Vertreibung eines Despoten ins Exil verwechseln. Die Chancen für Rot- Grün sind zwar gestiegen, aber ausgemacht ist das noch lange nicht.

Der neue Bürgermeisterkandidat der SPD gilt vielen noch immer als der Linke, der er mal war – aber ein Laumann ist Ortwin Runde keineswegs. Er kann, das hat er schon als SPD-Landeschef in Hamburg in den 80er Jahren bewiesen, integrieren. Und das soll er nun erneut. Denn nach dem Wahldesaster brauchen die Elb-Sozis vor allem einen, der den Laden zusammenhält.

Der Preis, den Runde und seine linke Hausmacht zu zahlen haben werden, ist noch offen. Doch der rechte Parteiflügel um den altgedienten Bausenator Eugen Wagner und vor allem die „Wandsbek-Connection“ um Voscherau und Umweltsenator Fritz Vahrenholt, der zu gerne selbst die Nummer eins geworden wäre, sind nicht billig zu haben. Eine Koalition aber, mit den Grünen zumal, die bis ins nächste Jahrtausend halten soll, ist gegen ihren Widerstand nicht zu machen. Runde weiß das. Und er weiß, daß er den Konservativen in seiner Partei beweisen muß, daß er nicht der Ausverkäufer sozialdemokratischer Restidentität ist. Die Ergebnisse der sehr wahrscheinlichen Koalitionsgespräche mit der GAL werden nicht zuletzt den rechten Flügel befrieden müssen.

Das ist selbstredend auch der GAL klar. Krista Sager und ihr Intimus, Fraktionschef Willfried Maier, sind schon heftig dabei, überzogene grüne Hoffnungen zu dämpfen: Atomausstieg und Straßenbahn, Radwege und ein ökologisch konvertierter Industriestandort an der Elbe mögen zwar in einem Koalitionspapier zu fixieren sein. Die Umsetzung aber steht auf einem anderen Blatt. Zumal über allem der Schatten von Henning Voscherau schweben wird. Der trat schon mal zurück: Vor genau zehn Jahren gab er den SPD-Fraktionsvorsitz auf, um hinter den Kulissen das Ende des damaligen Bürgermeisters Klaus von Dohnanyi besser inszenieren zu können. Ein Jahr lang sah und hörte man fast nichts von Voscherau. Dann war er plötzlich Regierungschef. Sven-Michael Veit

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