Antisemitismus aktuell

■ Ein Dorf in Brandenburg will keine Flüchtlinge aus Rußland unterbringen

Berlin (taz) – Die kleine Gemeinde Gollwitz im Landkreis Potsdam-Mittelmark ist auf dem besten Weg, berühmt zu werden. Nach einem Bericht der Märkischen Allgemeinen Zeitung (MAZ) hat dort der Gemeinderat nach einer hitzigen Debatte in der letzten Woche beschlossen, keine jüdischen Emigranten in dem 405-Einwohner-Dorf zu wollen. Seitdem sind sämtliche für den Beschluß verantwortlichen Abgeordneten abgetaucht. Und die Frage ist jetzt, ob Gollwitz ein antisemitisches Nest ist – oder nur ein fremdenfeindliches, was nicht weniger peinlich wäre.

Vordergründig geht es bei dem Streit um ein seit langem leerstehendes Herrenhaus, das nicht dem Dorf, sondern dem Landkreis Potsdam-Mittelmark gehört. Nachdem das Land Brandenburg vor sechs Wochen beschloß, daß der Landkreis in diesem Jahr noch 360 deutsche Spätaussiedler, darunter eine unbekannte Zahl russischer Kontingentflüchtlinge, aufzunehmen hat, suchte man schnellstens Unterkunftsmöglichkeiten.

Betraut mit dieser Aufgabe wurde die Verwaltungsgesellschaft Gesundheitszentrum Teltow (GZT), die zu 100 Prozent dem Landkreis gehört. Die GZT wiederum verfiel auf das Herrenhaus in Gollwitz; es sollte für 50 russische Juden aus- und umgebaut werden. Eine Idee, die sowohl die Bewohner des Dorfes, die Gemeinderatsmitglieder wie auch der Bürgermeister Andreas Heldt vehement ablehnen. Sie möchten ein Seniorenheim für zahlungskräftige Bürger und in erster Linie unter sich bleiben.

Bislang lebt in dem Dorf kein einziger Ausländer, Jude oder Spätaussiedler. „Wollen Sie ein zweites Dolgenbrodt riskieren“, zitiert die MAZ einen Einwohner, und der Abgeordnete Horst Wegner soll auf der entscheidenden Gemeinderatssitzung gesagt haben: „Ich ziehe einen meterhohen Zaun um mein Grundstück, wenn die kommen.“

Bürgermeister Andreas Heldt hatte den Ablehnungsbeschluß formuliert. Darin heißt es: Ein Übergangsheim im Herrenhaus greife „erheblich in das dörfliche Gemeinschaftsleben ein“ und sei nicht „förderlich“ für die zukünftige Entwicklung des Ortes. Zumal die zukünftigen Bewohner das Haus „herunterwirtschaften“ könnten.

Der Ausländerbeautragte des Landkreises, Valeri Tschechowski, bestreitet, daß die Gollwitzer „Antisemiten oder Rassisten“ sind. Schließlich hätten sie das Herrenhaus nicht „angezündet“, sondern nur „offen ihre Meinung gesagt“. Der Gollwitzer Beschluß hat, wie die Pressestelle des Landkreises betont, keine „Rechtskraft“. Sprecherin Andrea Metzler: „Die können beschließen, was sie wollen. Das Haus gehört uns.“ aku