Analyse
: Pflicht zur Ausbildung

■ Die Geschichte der Zwangsabgabe

Seit 1969 ist sie im Gespräch, 1974 wurde sie von der sogenannten Edding-Kommission, einer Sachverständigenkommission der damaligen SPD-/FDP-Regierung, vorgeschlagen, 1976 in ein Gesetz gegossen und 1980 rein aus formalen Gründen für verfassungswidrig erklärt. Gestern wurde sie auf Antrag der SPD erneut im Bundestag beraten: Die Ausbildungsplatzabgabe.

Offiziell fehlen zur Zeit rund 47.000 Ausbildungsplätze, die SPD rechnet mit mehr als 100.000. Sie will alle Arbeitgeber per Gesetz zur Ausbildung verpflichten. Wer dieser Pflicht nicht nachkommt, soll in einen Berufsausbildungsfonds einzahlen, der von der Bundesanstalt für Arbeit verwaltet wird. Ausnahmen für kleine Betriebe oder Neugründungen sind vorgesehen.

Aus dem Fond sollen die Arbeitsämter bei den Unternehmern Arbeitsplätze kaufen. Bund und Länder müßten die Ausbildungsplätze vorfinanzieren, ein Grund, weshalb Bundesfinanzminister Theo Waigel mit der Abgabe nicht einverstanden ist. Das Geld von den Arbeitgebern wird erst später eingesammelt. Zehn Milliarden Mark sollen zusammenkommen. Die Jugendarbeitslosigkeit soll dadurch schon kurzfristig um mindestens 100.000 gesenkt werden.

Hinter der Abgabe-Idee steckt der Ansatz, daß die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen aufgrund der gesellschaftlichen Bedeutung eine staatliche Aufgabe ist. Wenn die Ausbildungskosten solidarisch getragen würden, ergebe sich für Unternehmer letztlich kein finanzieller Nachteil, weil sie die Kosten ohnehin an ihre Kunden weitergeben. Die Kosten für die Ausbildung werden daher von der Gesellschaft getragen, darunter den Müttern und Vätern der Auszubildenden.

Die Koalition ist der Ansicht, die Abgabe bringe keinen einzigen zusätzlichen Ausbildungsplatz. Sie gebe den Unternehmen im Gegenteil einen Freibrief, sich aus der Verantwortung freizukaufen. Dem stehen die Erfahrungen mit dem Ausbildungsplatzförderungsgesetz vom Jahr 1976 entgegen. Der „Hammer des Gesetzes“, so ein SPD-Mann, habe damals dafür gesorgt, daß die Zahl der Ausbildungsplätze deutlich angestiegen sei. Zudem sei die nun geforderte Abgabe derart hoch, daß sich Ausbildung mehr als bisher lohnen würde. Die Abgabe beträgt 1,5 Prozent der Bruttolohn- und Einkommenssumme.

Kritisiert wird auch der bürokratische Aufwand. Die SPD hält dem entgegen, für jedes der 177 Arbeitsämter würden zwei oder drei zusätzliche Mitarbeiter gebraucht. Zudem sei eine zehnköpfige Fondsverwaltung erforderlich. Die zusätzlichen Verwaltungskosten betrügen höchstens 200 Millionen Mark – ein Klacks in Anbetracht der erwarteten zehn Milliarden, die von den Arbeitgebern kommen sollen.

Die Koalition setzt dagegen überwiegend auf den guten Willen. Der Deutsche Bundestag, so heißt es im Regierungsantrag, solle an die Jugendlichen appellieren, sich über die Chancen von unbesetzten Lehrstellen zu informieren. Die Wirtschaft wird aufgefordert, „in einer konzertierten Last- minute-Aktion die Möglichkeiten von 10.000 freiwerdenden betrieblichen Lehrstellen zu nutzen“. Markus Franz