Gollwitz tritt auf die Bremse

Gemeinderat des brandenburgischen Dorfes Gollwitz will über Zuwanderung von russischen Juden mit sich reden lassen. Bubis: „Das Porzellan ist kaputt“  ■ Aus Berlin Anita Kugler

Retten, was zu retten ist, lautete am Donnerstag abend die Devise des Gemeinderats von Gollwitz. Mit vier Jastimmen bei drei Enthaltungen und keiner einzigen Gegenstimme hob das Gremium seinen vor zwei Wochen einstimmig gefaßten Beschluß auf, in dem brandenburgischen Dorf kein Übergangswohnheim für russisch-jüdische Emigranten zuzulassen. Die neuerliche Entscheidung bedeutet aber noch lange nicht, daß die Gollwitzer jetzt mögliche Zuzügler freudig begrüßen. Die Gemeindevertreter haben sich lediglich bereit erklärt, „den Weg zu weiteren Gesprächen frei zu machen“, korrigierte gestern der Sozialdezernent des zuständigen Landkreises Potsdam- Mittelmark, Günther Baaske, erste Meldungen, wonach die Gollwitzer jetzt „unter bestimmten Bedingungen“ bereit sind, jüdische Neuzuwanderer aufzunehmen. Der Sozialdezernent kritisierte gestern auf einer von der Staatskanzlei eilig angesetzten Pressekonferenz ebenfalls, daß sich von den bei der Abstimmung anwesenden Gemeindevertretern kein einziger von den rechtsradikalen Sprüchen distanziert habe, die in den letzten zwei Wochen in Gollwitz überreichlich zu hören waren.

Juristisch hat der Gollwitzer Beschluß, sich Gesprächen nicht zu verschließen, ohnehin keinen Bestand. Denn das für die Unterbringung von jüdischen Emigranten vorgesehene Herrenhaus gehört dem Landkreis, der am Unterbringungsort Gollwitz festhält. Unklar ist für ihn lediglich die genaue Zahl der möglichen Zuwanderer. Der ursprüngliche Plan, das Herrenhaus für etwa 60 Menschen umzubauen, wird auch von der Ausländerbeauftragten Almuth Berger als überzogen empfunden. Mit der zu hohen Zahl von Emigranten argumentiert auch gerne der 34jährige parteilose Bürgermeister Andreas Heldt. 60 Russen bei 404 Einwohnern bedeute einen Bevölkerungszuwachs von 15 Prozent. „Dies wäre, als ob Berlin auf einen Schlag eine Million Asylanten dazubekäme.“ Mit Ausländerfeindlichkeit habe das nichts zu tun, sagt er.

Gollwitzer Sprüche wie: „Soll Ignatz Bubis doch die Juden nehmen“, oder „Kommen die Russen, kommt die Mafia“, machten in den letzten zwei Wochen auch international Schlagzeilen. Deshalb bemühte sich gestern die Staatskanzlei um Schadensbegrenzung. „Jüdische Zuwanderer sind in Brandenburg willkommen“, erklärte der Staatssekretär im Sozialministerium, Herwig Schirmer. Seit 1990 habe das Land 2.161 Emigranten aufgenommen und viele positive Erfahrungen gemacht. Die öffentliche Debatte über die Vorkommnisse in Gollwitz hält er für „bedauerlich und wenig hilfreich“. Er gestand aber ein, daß „dort vieles schlecht gelaufen“ ist.

Die Gollwitzer Erklärung hat den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis, nicht beruhigt. Gegenüber AFP sagte er, die Gemeindevertreter hätten ihre Meinung nicht geändert, nur ihren Beschluß revidiert. „Das Prozellan ist bereits kaputt. Was jetzt passiert, ist Kitt.“