Nichtstun in Malibu

Reisen, rumgammeln, jobben – keine Scheu vor leeren Stellen im Lebenslauf. Denn wer sie gut begründen kann, kann damit sogar einige Pluspunkte sammeln  ■ Von Christine Wollowski

In jedem Jahrgang gibt es sie, die Zielstrebigen, die schon in der zehnten Klasse ganz genau wissen, was sie werden: Musiker oder Journalist oder Bankkaufmann. Sie haben Praktika gemacht oder eine Schülerzeitung gegründet, ihr Berufsleben liegt klar und voraussehbar vor ihnen. Alles ganz einfach.

Doch was passiert mit den Unentschlossenen? Sie gehen ins Ausland, um Zeit zu gewinnen, jobben hier und da oder machen gar nichts, weil sie erst einmal froh sind, die Schule hinter sich zu haben. Aber irgendwann muß sich jeder bewerben. Und dann tauchen sie auf, die Löcher im Lebenslauf.

Mit den Daten zu jonglieren, damit die Lücke kleiner wird, zwischen Praktika und Ausbildung womöglich verschwindet, geht meistes schief: „Entscheidend ist, diese Lücken nicht zu kaschieren. Denn wenn man das merkt – und man merkt es auf jeden Fall –, wird die Skepsis um so größer“, sagt Markus Vorbeck aus der Abteilung Personalmarketing eines großen Bankhauses. Wer eine Lücke gut begründen kann, gewinnt vielleicht sogar Pluspunkte: „Mir ist jemand lieber, der mit Überlegung im Ausland war, als einer, der sich vom Papa Praktika besorgen lassen hat“, sagt Vorbeck.

Zu viele Bewerbungsratgeber fahren auf der Schiene: Verkauf dich postiv, zeig, du bist zielstrebig und gut. Allmählich können auch Personalleiter die Superselbstdarstellung nicht mehr hören. „Die Leute sollen sich lieber ehrlicher darstellen“, rät Vorbeck.

Auch Angelika Eckert, Referentin für Personalmarketing in einer Versicherungsgesellschaft, ist für Ehrlichkeit. Klar, daß jede Reise im Lebenslauf als Studienreise und Horizonterweiterung dargestellt wird, aber: „In der Unterhaltung merke ich doch, ob jemand nur die Füße hochgelegt oder sich mit der fremden Kultur auseinandergesetzt hat.“ Lücken im Lebenslauf haben mit der Persönlichkeit eines Bewerbers zu tun. Wenn die überzeugt, werden auch exotische Exkurse akzeptiert. Angelika Eckert erinnert sich an einen Bewerber, der eine Zeitlang in Südafrika als Charterpilot gearbeitet hat. Beweisen konnte er das nur durch einen selbstgestalteten Prospekt, den er an potentielle Kunden verteilte. „In meinem Lebenslauf gibt es keine Lücken – leider“, sagt Eckert. „Ich habe direkt nach dem Studium eine Stelle bekommen. Drei Monate Pause hätte ich gerne gehabt.“

„Leere“ Zeiten, in denen nicht zielstrebig auf ein bestimmtes Berufsbild hingearbeitet wird, sind für keinen Personalleiter mehr Grund genug, eine Bewerbung von vorneherein auszusortieren. Viele suchen gar nicht detektivisch nach solchen Zeiten – weil andere Aspekte für sie wichtiger sind. Theodor Weimer von der Beratungsstelle Bain & Company in München geht noch einen Schritt weiter. „Lücken sind Teil einer Persönlichkeit, das ist die Muße, die sich einer für sich selbst nimmt“, sagt der Recruiting-Verantwortliche. „Uns interessiert, welches Output jemand bringt. Er muß gute Ergebnisse vorweisen können und nicht wie der dressierte Affe ununterbrochen am Schreibtisch gesessen haben.“ Wichtig sei, daß der Bewerber zu seinen Entscheidungen steht. Wer offensichtlich lügt oder unsicher herumstammelt, um vermeintliche Schwächen noch gerade so hinzubiegen, hat auch bei Weimer keine Chance: „Ein Killerkriterium ist etwa, wenn einer sagt: Ich habe mich nicht getraut, diese Prüfung zu machen, deshalb habe ich sie verschoben.“

Eingestellt hat Weimar hingegen den Bewerber, der drei Monate in seinem Leben mit „Reisen“ erklärt hatte. Auf Nachfrage sagte er, eigentlich habe er die kalifornische Wüste ausforschen wollen, aber dann habe das Geld nur für eine Badehose gereicht. Er habe deshalb logisch konsequent drei Monate in Malibu am Strand gelegen und gar nichts gemacht. So what?

Solche Auszeiten werden unter Persönlichkeitsbildung gebucht und in Weimers Unternehmensberatung sogar gern gesehen: „Jeder bei uns hat Lücken im Lebenslauf“, sagt der Recruiting-Fachmann. „Ich selbst war während meines Studiums mehr als fünf Jahre jedes Jahr drei Monate in Indien. Natürlich könnte ich jetzt behaupten, ich habe den Buddhismus-Hinduismus studiert, aber das wäre Schönfärberei: Das war ein tolles Land, man konnte da billig leben und viel erleben. Natürlich habe ich faktisch fünfzehn Monate meines Lebens verplempert und Leerzeiten produziert. Deswegen habe ich trotzdem als Jahrgangsbester in der Regelstudienzeit meinen Abschluß gemacht. Das schließt sich nicht aus. Ein guter Personalmann weiß das auch.“