„Ein neues Wirtschaftswunder“

Förderverein Ökologische Steuerreform zeigt, daß das Steuersystem umweltgerecht umstrukturiert werden könnte. Memorandum macht auch Zugeständnisse an Industrie  ■ Von Bernd Siegler

Nürnberg (taz) – Den „sofortigen Einstieg in eine ökologisch wirksame und auch ökonomisch vorteilhafte Energiesteuer“ fordert der „Förderverein Ökologische Steuerreform“ (FÖS). Gestern legte er in Bonn sein Memorandum vor. Die im FÖS zusammengeschlossenen Wissenschaftler, Manager und Umweltexperten plädieren weder für den sofortigen Anstieg des Benzinpreises auf fünf Mark noch für die Einführung einer Ökosteuer, die von Kohlendioxidemissionen oder dem Energieverbrauch abhängt. Statt dessen soll eine jährlich um fünf Prozent steigende Steuer auf alle nicht erneuerbaren Energien nicht nur die Reduzierung der direkten Steuern und der Lohnnebenkosten finanzieren, sondern auch Spielräume für die Finanzierung von Zukunftsaufgaben und den Schuldenabbau schaffen.

„Signale in Richtung auf ein neues Wirtschaftswunder“, nennt der FÖS sein Konzept. 1994 gründete sich der in Hamburg ansässige Verein unter Federführung des einstigen BASF-Managers und Vorstands von WWF-International, Henner Ehringhaus, und des Präsidenten des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt und Energie, Ernst Ulrich von Weizsäcker. Deren Ziel ist der „kurzfristige Einstieg in eine ökologische Steuerreform“, die die „ökonomische Wettbewerbsfähigkeit und die ökologische Zukunftsfähigkeit nachhaltig verbessern“ soll.

Etwa 120 Mitglieder zählt der Verein inzwischen. Darunter finden sich der Arbeitskreis Ökologischer Lebensmittelhersteller mit den Firmen Hipp und Neumarkter Lammsbräu, vereinzelte Vertreter der Großindustrie wie Georg Riedel von Daimler Benz oder Reinhard Leiter von der Allianz AG sowie Vertreter von Greenpeace und vom BUND. Politiker von Bündnisgrünen und SPD gehören ebenso dazu wie Fritz Böhringer von der Mittelstandsvereinigung der CDU. Sie alle wollten nicht länger mit ansehen, wie die ökologische Steuerreform „mit dem Totschlagargument des wirtschaftlich Möglichen auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben“ wird.

Das nun vorgestellte Modell ist denkbar einfach: Auf Benzin, Diesel, Heizöl, Erdgas, Kohle und Strom wird eine Steuer in Höhe von fünf Prozent auf den Verkaufspreis erhoben. In den darauf folgenden fünf Jahren folgt dann jährlich eine weitere Verteuerung von fünf Prozent zuzüglich der allgemeinen Inflationsrate des Vorjahres. Ein Liter bleifreies Benzin, derzeit für 1,60 Mark zu haben, kostet in sechs Jahren dann 2,40 Mark, und eine Kilowattstunde Strom für Privathaushalte verteuert sich von derzeit 25 auf 38 Pfennig. Im Durchschnitt steigen die Energiepreise in diesem Zeitraum um 50 Prozent.

Ausgenommen von dieser Steuer bleiben nicht nur erneuerbare Energieträger oder Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung, sondern auch die Prozeßenergie in der gewerblichen Wirtschaft. Diese Energie, die „unmittelbar zur Erzeugung und Gewinnung eines Stoffes oder Produktes eingesetzt wird“, will der FÖS verschonen, um den bisherigen Widerstand der energieintensiven Branchen gegen eine Energiesteuer zu brechen.

Unter dem Strich kommen beim FÖS-Modell schon im ersten Jahr zehn, im sechsten Jahr 65 Milliarden Mark in die Bundeskasse. Rechnet man ein jährliches Energiesparpotential von drei Prozent mit ein, bleiben immer noch 55 Milliarden. Eine Nettoeinnahmeerhöhung des Staats soll dies jedoch nicht sein. Die FÖS will die Bundesrepublik für in- und ausländische Investoren attraktiver machen. Mit Hilfe der Energiesteuer soll deshalb der Spitzensteuersatz auf 40 Prozent sowie die Lohnnebenkosten durch Finanzierung der versicherungsfremden Leistungen gesenkt werden. Außerdem rechnet der FÖS mit vermehrten Investitionen in energiesparende Technologien und Produkte.

Dem Verein ist klar, daß eine am Kohlendioxidgehalt orientierte Steuer, wie es sie bereits in Skandinavien und den Niederlanden gibt, ökologisch sinnvoller wäre. Vorrangiges Ziel ist jedoch eine „sofortige, aber behutsame Einführung einer Energiesteuer, die ökonomischen Bedenken Rechnung trägt“. Bei einer abrupten starken Verteuerung der Energie fürchtet man, daß energieintensive Branchen ins Ausland abwandern. Der ökologische Gewinn wäre dann gleich Null, zusätzlich würden Arbeitsplätze im Inland gefährdet. Bei einer kohlendioxid-abhängigen Steuer gäbe es zudem starke Preissprünge bei einzelnen Energieträgern und damit auch hohe Anpassungskosten für die betroffenen Branchen. Das FÖS-Modell berücksichtigt die bestehenden Strukturen jedoch und sorgt für langfristig kalkulierbare Energiekosten. All dies, hofft man, werde Widerstände minimieren.