Frauen dürfen gleicher sein: EU-Gericht bestätigt Quote

■ Europäischer Gerichtshof bestätigt Nordrhein-Westfalens Frauenquote, weil Frauen sonst tendenziell diskriminiert würden. NRW-Ministerin: „Historischer Tag“

Berlin (taz) – Die Frauenquote in Nordrhein-Westfalen verstößt nicht gegen EU- Recht. So haben es gestern die – ausschließlich männlichen – Richter des Europäischen Gerichtshofs entschieden. Die Quote ist ihrer Auffassung nach im Grundsatz rechtskonform, weil ansonsten bei gleicher Qualifikation „die Tendenz“ bestehe, Männer „aufgrund von Vorurteilen und stereotypen Vorstellungen“ gegenüber Frauen bevorzugt einzustellen.

„Freude! Freude!“ Mit diesem spontanen Ausruf reagierte Lissy Gröner, frauenpolitische Sprecherin der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, auf das Urteil. Es habe auch für die anderen EU-Länder eine „Signalwirkung“. Nordrhein-Westfalens Gleichstellungsministerin Ilse Ridder-Melchers (SPD) sprach von einem „historischen Tag für die Frauen in Europa“ und kündigte an, ihr Ministerium werde der Landesregierung nun den Entwurf eines „umfassenden Gleichstellungsgesetzes“ vorlegen.

Beim Europäischen Gerichtshof ging es um die Klage des Lehrers Hellmuth Marschall aus dem nordrhein-westfälischen Schwerte. Als er sich 1994 um einen höher dotierten Posten beworben hatte, war eine Kollegin mit gleicher Qualifikation bevorzugt worden. Denn nach dem seit 1989 bestehenden NRW-Frauenfördergesetz sind Frauen, solange sie in höheren Positionen unterrepräsentiert sind, „bei gleicher Eignung, Fähigung und fachlicher Leistung“ vorzuziehen, falls nicht „in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen“. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen legte Marschalls Klage dem Europäischen Gerichtshof vor. Der hat nun das NRW-Gesetz für Rechtens erklärt, den Einzelfall Marschall aber an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Vor zwei Jahren hatten die EU-Richter die Bremer Frauenquote, die keine Härtefallregelung wie in Nordrhein-Westfalen vorsah, für rechtswidrig erklärt. „Ein absoluter Automatismus zum Nachteil der Männer“ müsse vermieden werden, erklärten die Richter; die Existenz einer Härtefallklausel aber mache die NRW- Quote flexibel und lasse der Verwaltung Spielraum. Zudem wiesen die Richter darauf hin, daß die „bei der Beförderung zu prüfenden Kriterien gegenüber Frauen nicht diskriminierend“ sein dürfen.

Das Urteil sorgte für Überraschung, weil der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof im Mai dafür plädiert hatte, Frauenquoten generell zu verwerfen. Im Falle eines negativen Urteils hätten auch die Frauenfördergesetze in Berlin, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen- Anhalt und Schleswig-Holstein keinen Bestand mehr gehabt.

Selbst Bundesfrauenministerin Claudia Nolte (CDU) begrüßte das Urteil, weil es größere Klarheit bringe. Die frauenpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen in Bonn, Irmingard Schewe-Gerigk, sprach von einem „großen Fortschritt“. Allerdings reiche die Quote allein nicht aus. Andere Maßnahmen müßten hinzukommen. Als Beispiel nannte sie die Vergabe öffentlicher Aufträge an frauenfördernde Betriebe. Die Sozialdemokratin Lissy Gröner sagte, sie werde trotz des positiven Urteils eine Kampagne für „mehr Richterinnen“ am höchsten Gericht Europas starten. Ute Scheub

Tagesthema Seite 3, Kommentar Seite 12