Gans Ohr

■ Wolfgang Schäuble predigte im CCH vor Norddeutschlands Metall-Bossen

Manchmal gar ein bißchen unkonzentriert und weitschweifig war er – und doch gelang es Wolfgang Schäuble am Mittwoch Abend im CCH, mehr als 600 handverlesene und hungrige Gäste beim traditionsreichen Martinsgans-Essen des Arbeitgeberverbandes Nordmetall 80 Minuten lang vom Speisen abzuhalten. In freier Rede entfaltete der CDU-Fraktionschef im Bundestag und Kanzler in spe seine politische Philosophie. Erneut bewies er sich dabei als politisch-pragmatischer Kopf, dem die hohlen Phrasen seines Chefs und potentiellen Vorgängers Helmut Kohl fremd sind.

Schäubles politische Grundwerte freilich, das wurde im Verlauf seiner Rede erschreckend deutlich, sind von atemberaubend altmodischer Schlichtheit: Weniger Staat, ein klares Bekenntnis zum technologischen Fortschritt und einen Wertewandel, der den deutschen Freizeitweltmeister endlich wieder zu Leistungsbereitschaft und zu der Erkenntnis bringe, daß nicht „im egoistischen Individualtrip“, sondern „in freiwilliger Solidarität und Eigenverantwortung“die Zukunft liege, lautet sein Credo.

Den größten Teil seiner Redezeit verwendete er auf den Beweis seiner These, daß von einem „Stillstand in der Politik“keineswegs geredet werden könne. Im Gegenteil: Die Staatsquote, für Schäuble „die vielleicht wichtigste Zahl überhaupt“, sei deutlich niedriger als 1982 und von einem Zwischenhoch kurz nach der Wende längst wieder beim Abschmelzen. Sozialhilfereform, Gesundheitsreform, Steuersenkungen für Vermögen und Besitz, Reform der Arbeitsförderung, Rentenreform – die Regierung habe die wichtigsten Aufgaben längst angepackt. Daß es vielfach zu langsam gehe, liege in erster Linie an der Blockade-SPD im Bundesrat.

Freundlicher Beifall wohlsituierter Herrschaften nebst Begleitung lohnte ihm die Worte, die diese hatten hören wollen. Obwohl sie sich auch mit weniger zufrieden gegeben hätten, wegen der fetten Gans. Florian Marten