Den Weg zum Dealer erspart

Homegrower finden es verwerflich, daß der Verkauf von Hanfsamen verboten werden soll. Direkt betroffen fühlt man sich aber nicht. Mit Selbstversorgern sprach  ■ Detlef Kuhlbrodt

Homegrowing ist „in“. Gern baut man in Berlin und in Brandenburg Marihuana an. Das sieht gut aus und hat vielerlei Vorteile. Zum einen spart sich der Heimgärtner den Weg zu seinem Haschdealer, zum anderen sorgen die verschiedenen Samenangebote der Headshops für eine Sortenvielfalt, die kaum ein Dealer bieten kann. Skunk, Northern Lights, Sinsemilla, Cyber Cristal – die Zahl der unterschiedlichen Samen, die es beim Headshop an der Ecke zu kaufen gibt oder die man sich aus Holland – wo alljährlich die interessantesten Neuschöpfungen prämiert werden – schicken lassen kann, geht gegen unendlich. Die Prospekte versprechen genauso viele unterschiedliche „Highs“ wie es Sorten gibt.

Viele Selbstanbauer reden wie Winzer über die feinen Unterschiede der Pflanzen. Manche können mit geschlossenen Augen bis zu 80 Sorten beim Rauchen unterscheiden! Ignoranten, die Skunk nicht von mexikanischem Gras unterscheiden, können die Spezialisten nur bedauern. Mitleidig blickt der erfahrene Homegrower auf den gewöhnlichen Kiffer herab.

Im Prinzip finden es natürlich alle verwerflich, daß der Hanfsamenverkauf pönalisiert werden soll. Praktische Auswirkungen für den kleinen Hanfgärtner hätte das allerdings nicht.

Für Babette (30), eine Maurerin aus Brandenburg, ist alles noch Neuland. Von Freunden in Mecklenburg-Vorpommmern bekam sie ihre ersten Hanfsamen geschenkt, die sie in einem Kübel im elterlichen Garten in Bernau aussäte. Ihre Eltern hätten sich rührend um die kleinen Pflanzen gekümmert und paßten immer auf, daß sie genügend Wasser bekommen. Abgeerntet sei nun alles. „Geraucht haben wir das allerdings noch nicht. Das machen wir dann auch bald.“

Christiane (27) aus Berlin, die halbtags in einer Anwaltskanzlei arbeitet, findet es „natürlich scheiße“, daß Homegrowingsamen verboten werden sollen. Vor zehn Jahren, „als Hanf noch richtig verboten war“, war sie mal Anbauerin. „Da hatte ich eine Wohnung mit riesiger Dachterasse, wo niemand draufschauen konnte, außer Helmut Kohl im Hubschrauber und einem Nachbarn, der immer sehr nett war und mir beim Motorradreparieren half. Ich hatte 18 Pflanzen. Das reichte für den Jahresbedarf. Als meine Pflanzen ganz riesig waren, traf ich meinen Nachbarn zufällig auf der Straße. In Polizeiuniform!

Später in Freiburg hatten wir wieder Pflanzen, auf so einem komischen Dach im Innenhof. Das konnte man vom Treppenhaus aus sehr gut einsehen. Sogar Bullen gingen da vorbei, wenn sie wegen Lärmbeschwerden gerufen worden waren, und kapierten nix. Nach dem ersten Jahr verkündete dann der Schornsteinfeger, daß unser Dach total asbestverseucht sei und er da wegen Aufwirbeln von Asbeststaub nicht mal drauf rumlaufen dürfte. Und das hatten wir also den Winter über geraucht!

Im nächsten Jahr machten wir trotzdem weiter und sprachen sogar täglich mit den Pflanzen. Dann verpetzte uns jemand. Ein Polizeitrupp rückte an, sabberte was von Verschleierungsgefahr und säbelte alles ab. Eine Anzeige kriegten wir auch. Wurde aber fallengelassen, da so viele Leute in der WG gemeldet waren, daß sowieso niemand hätte zur Rechenschaft gezogen werden können.“

Johannes ist 33 und arbeitet als freier Grafiker in Berlin. Ein ruhiger, aufgeräumter Mensch mit „grünem Händchen“. Er baut an, weil er keine Lust hat, Geld für Drogen auszugeben und weil er es so „erniedrigend“ findet, irgendwelchen Dealern hinterherzulaufen. „Dieses ganze Brimborium geht mir auf den Sack. Dann mußt du ja auch am Telefon immer so komische Sachen sagen: ,Sind die dreißig Videocassetten schon da?‘ oder so was.

Ich hatte angefangen mit 18. Auf dem Dorf. Am Anfang war der Erfolg gleich null. Wildfraß. Seit sieben Jahren baue ich richtig an. Sechs Pflanzen auf dem Balkon meist. Das ist eine reine Eigenbedarfsgeschichte. Ich hab' mir das alles selber beigebracht und bin auch nicht bereit, so Indoorgeschichten mit teuren Lampen zu machen. Ist ja auch ziemlich gefährlich. Ich hab' gehört, daß die Bewag das auch weiterleitet, wenn der Stromverbrauch sich plötzlich vervielfacht. Deshalb sind schon Leute aufgeflogen.

Die Samen hab' ich von gutem Gras. Manchmal versuche ich auch, Mischungen zu machen. Headshopsamen finde ich nicht so gut. Die sind so extrem hochgezüchtet und dann werden sie meist auch noch viel zu warm gelagert. Die wollen da nur Geld mit machen.

Die Headshopsamen sind in der ersten Generation superpotent, gehen aber mit den Jahren wieder auf so einen Phänotyp zurück. Man vermutet, daß auch diese sogenannten Nutzhanfsamen auf einen THC-haltigen Ursprungstyp zurückgehen würden, wenn man sie verwildern lassen würde. Das sind ja beides Zuchtsamen.

Vom Turn her gefällt mir auch dieses etwas schwächere Gras von mir besser. Das lähmt nicht so wie Dope, sondern putscht eher auf. Und das will man ja von gutem Gras.

Im Herbst mach ich immer so eine Art Erntedankzeremonie. Ist schon was Besonderes, wenn du eine Pflanze, die du ein halbes Jahr großgezogen hast, dann abschneidest. Dann denkst du auch schon mal: ,Sorry‘. Meine Pflanzen werden etwa 1,60 Meter hoch. Da muß man natürlich aufpassen, wer gegenüber wohnt. Drüben ist ein Altersheim. Vielleicht sind da Bullen im Ruhestand mit Ferngläsern drin.

Wenn Marihuana legalisiert werden würde, würde ich wahrscheinlich nicht mehr anbauen. Wäre auch schade irgendwie.“