■ Querspalte
: Zur Sache, Fernsehen!

Schön langsam schleppt sie sich zum Ausgang und zur Rentenkasse. Die Generation unserer Vorgesetzten und Abteilungsleiter: Hängebäuchig und mit modischer Zweitfrisur zwar, aber das war einmal die Avantgarde, die 1968ff. mit Feldwebel Oswalt Kolle die sexuelle Befreiung erkämpfte. Seitdem gibt es Partnertausch hinterm Jägerzaun, und wenn er hochkommt, wird auch unterm Faltenrock gejodelt.

Doch offenbar ist die Revolution einigermaßen müde geworden mit den Jahren und den unzähligen Orgien am Gartengrill und nach der Maibowle. 48,1 Prozent der Deutschen wünschen sich, daß ein Ruck durch den Sex-Standort Deutschland gehe. Wenn wir schon nichts mehr innovieren und patentieren, müssen wir uns die Blaupausen andersrum besorgen. Die 48,1 Prozent hätten es deshalb gern, wenn das öffentlich-rechtliche und das kostenlose Privatfernsehen häufiger zur Sache kämen.

Da mag der Bundespräsident noch so zeigefingern und besorgt die Stirn fälteln, wir Deutschen sind im internationalen Vergleich stark zurückgefallen. Obwohl der Bergbau nur mehr eine Altlast ist, hält sich unser Standard hartnäckig auf dem Niveau von „Laß jucken Kumpel!“ Aber sie sind ja fortbildungswillig, die erotischen Kleingärtner. Nicht mehr „Emmanuelle“ soll es sein, sondern Long John Silver, nicht mehr der elfte Hausfrauenreport, sonden „Deep Throat“. Die Sex- Kriegsveteranin Beate Uhse hat Leder, Peitsche und allerlei Ehehygienisches längst im Arsenal, sie muß damit bloß noch in Stellung gehen.

Mit Hardcore auf dem Bildschirm wüßte man endlich, warum Ulrich Wickert immer so verschwörerisch lächelt. Er müßte dann nicht mehr gequält zu Alfred Biolek Überleiten, er könnte the real thing ankündigen: „Wenn du zu deiner Frau ins Schlafzimmer kommst, vergiß ihre Peitsche nicht.“ Nina Ruge moderiert für Teresa Orlowski. Dagmar Berghoff als Domina, Karl Moik als Hausmeister in der strengen Kammer mit Heino als Leibsklave. Endlich wäre aller Tage Abend: Der Fernseher raucht vor Leidenschaft und brennt schließlich durch. Endlich Zeit, sich um Sinn und Verstand zu vögeln. Willi Winkler