Horns riskantes Spiel

■ Das geglückte Nato-Referendum stärkt Ungarns Regierungschef

Der ungarische Ministerpräsident Gyula Horn zeigte sich noch in der Wahlnacht generös. „Niemand sollte diesen Erfolg usurpieren, er ist das Verdienst aller Parteien, egal ob in der Regierung oder Opposition“, sagte er in die laufenden Fernsehkameras. Horn ist gewieft genug, um zu wissen, daß diese Gentleman-Geste der Tatsache keinen Abbruch tat, daß es natürlich seine regierende Sozialistische Partei (MSZP) ist, die ein halbes Jahr vor den nächsten Parlamentswahlen den Bonus des Türöffners zur Nato davonträgt.

Dabei hatte sich Horn – was seinem Wesen so fremd nicht ist – auf ein riskantes Spiel eingelassen. Nicht, weil das Lager der Nato-Gegner in Ungarn so bedeutend wäre, sondern weil etliche Meinungsforschungsinstitute vor einer möglichen niedrigen Beteiligung gewarnt hatten. Für eine gewisse Absicherung hatte Horn noch im Sommer gesorgt: Mit einer Novelle des Volksabstimmungsgesetzes wurden die Kriterien für die Gültigkeit eines Referendums erleichtert. Für das nötige Quorum reicht es nunmehr auch aus, daß 25 Prozent aller Wahlberechtigten dieselbe Antwort ankreuzen.

So kam es, daß am Sonntag knapp weniger als 50 Prozent zu den Urnen schritten, von denen jedoch 85 Prozent für die Nato-Mitgliedschaft stimmten (41,5 Prozent der gesamten Wählerschaft). Die Parlamentsparteien hatten ihren Anhang allesamt auf das Ja zum westlichen Verteidigungsbündnis eingeschworen. Die hohe Zustimmungsrate – Meinungsforscher hatten 60 bis 70 Prozent vorausgesagt – erklärt sich weniger aus dem Charme der Nato als aus dem Bedürfnis der Ungarn, nach Jahrhunderten der Fremd- und Mißherrschaft endlich und vorbehaltlos der westlichen Gemeinschaft anzugehören.

Vor diesem Hintergrund konnten die Nato-Gegner nur noch wenig ausrichten. Sie blieben mit ihren Argumenten isoliert. Selbst die Frage der Kosten für etwaige zusätzliche Nachrüstungsbemühungen verfing nicht. Statt dessen präsentierte die Regierung stolz die Zahlen, die man bei den im Oktober abgeschlossenen Beitrittsverhandlungen vereinbart hatte. Ungarn verpflichtet sich, bis zum Jahr 2001 seinen Wehretat von 1,51 Prozent auf 1,81 Prozent des Bruttosozialprodukts anzuheben. Im Lichte des sich langsam einstellenden Wirtschaftswachstums erschien das den meisten Wählern offenbar als verschmerzbares Opfer.

Schon lange bevor sich die Ost-Ausdehnung der Nato abzeichnete, hatten Vertreter großer Flugzeughersteller (Boeing, Lockheed, Saab) in Budapest Klinken zu putzen begonnen. Vorerst kann und muß sich Ungarn die Anschaffung teurer Kampfjets wohl nicht leisten. Bis zu den Wahlen im nächsten Frühjahr braucht niemand mit ungarischen Kaufaufträgen zu rechnen. Was danach kommt, steht dann auf einem anderen Blatt. Gregor Mayer