"Verrecke, das kriegst du nicht"

■ In der Justizvollzugsanstalt Tegel verweigert ein Gefangener seit 25 Tagen die Nahrung, weil die Wärter die Substitution mit Methadon abgesetzt haben. Ein zweiter ißt seit drei Tagen nicht

Ein Gefangener der Justizvollzugsanstalt (JVA) Tegel verweigert seit 25 Tagen die Anstaltskost. Damit will er die Fortführung der abgesetzten Methadonsubstitution erzwingen. „Aus Solidarität“ hat sich vor drei Tagen ein zweiter Gefangener der Nahrungsverweigerung angeschlossen. Auch bei ihm wurde die Substitution beendet. Nach dessen Angaben habe der Chefarzt der Berliner Vollzugsanstalten, Dr. Rex, die Weiterführung der Therapie mit den Worten verweigert: „Du kannst verrecken, du kriegst das nicht.“

Corinna Bischoff von der Justizpressestelle bestätigte gestern die Nahrungsverweigerung der zwei Gefangenen aus Haus III der JVA Tegel. Der Gesundheitszustand des Gefangenen, der seit über drei Wochen keine Nahrung zu sich nimmt, sei „stabil“. Bischoff machte jedoch keine Angaben zu den Gründen der Absetzung von Methadon. „Zu Einzelfällen darf ich nichts sagen.“

Die Chancen auf eine Wiederaufnahme der Therapie sind gleich Null. „Da kann ja jeder kommen“, so Bischoff. Es gibt nach Angaben der Pressestelle „grundsätzlich keine Dauersubstitution“ im Gefängnis. Einzige Ausnahme: Aids- Erkrankte. Die Dauer und Dosierung der Methadonsubstitution erfolgt nach Angaben von Bischoff in Abstimmung mit der Ärztekammer und der Ethikkommission. Insgesamt werden derzeit 60 Gefangene mit Methadon substituiert: 23 in Tegel, 19 in Moabit, acht in Plötzensee und zehn in der Frauenhaftanstalt.

Will ein Gefangener eine Therapie machen, wird ein Antrag bei der Ehtikkommission bei der Ärztekammer gestellt. Entscheidend bei der Bewilligung sei, erklärt Constanze Jacobowski von der Clearingstelle für Substitution, daß die „erwarteten stabilisierenden Effekte“ auch eintreten. „Schmeißt ein Patient weiter Pillen oder ähnliches ein“, so die Ärztin weiter, „dann brauchen wir kein Methadon draufschütten.“ In der Regel würden Gefangene substituiert, die schon vorher eine Therapie gemacht haben oder aus „entlassungsvorbereitenden“ Gründen. Langstrafer kämen normalerweise nicht in den Genuß einer Therapie, weil die Substitution aufwendig ist und mehrere Jahre dauert. „Knast ist Knast“, so die Ärztin.

Ein plötzliches Absetzen von Methadon bei Gefangenen auf Null kann sich Jacobowski nicht vorstellen. Die Beschuldigungen gegen Chefarzt Rex, den sie seit zwanzig Jahren kennt, weist Jacobowski scharf zurück. „Dr. Rex würde so was nie sagen.“ Er sei manchmal vielleicht „eine Knodderschnauze“, aber stets „menschenfreundlich“ zu den Patienten. Barbara Bollwahn