Das Ohr auf dem Diwan

■ Anouar Brahem, der bekannteste Ud-Spieler Tunesiens, entführte das Bremer Publikum im Übersee-Museum zu einer Reise durch die arabisch-islamische Musik

Fisch mag er nicht. Davon hat Anouar Brahem, 1957 in Tunis geboren, in seinem Leben genug bekommen. Anderen Gewohnheiten, mit denen er aufgewachsen ist, blieb er indes treu: Als Zehnjähriger begann er mit dem Spielen des Ud, der traditionellen arabischen Kurzhalslaute. Heute gilt Anouar Brahem als der beste Lautenspieler Tunesiens, wenn nicht der ganzen Welt. Am Samstag gastierte das Anouar Brahem Trio im Übersee-Museum und entführte die zahlreichen BesucherInnen zu einer traumhaften Reise durch die arabisch-islamische Musik.

Bank an Bank gedrängt saßen sie, Menschen jeden Alters. Viele von ihnen offensichtlich aus demselben Kulturkreis stammend wie der Meister selbst, der mit großem Applaus empfangen wurde. Da war er: Anour Brahem, der „das Königreich der Musik wachsen“läßt „und die Musik-Kulturen von Ost und West versöhnt“, wie selbst die sonst eher nüchterne FAZ über den tunesischen Lautenspieler schrieb.

Tatsächlich ist das Werk Brahems davon geprägt, die Grenzen seiner musikalischen Sprache permanent zu erweitern, ohne dabei die eigene kulturelle Identität aufzugeben. So wendete er sich nach einem langjährigen Studium der klassischen arabischen Musik mehr und mehr anderen Einflüssen zu, denn: „Eine Musik, die nicht flexibel ist, die Wechseln gegenüber resistent ist, stirbt innerlich ab.“Er bereiste fremde Länder und Kontinente und erweiterte sein musikalisches Territorium durch Einflüsse aus Europa, Iran und Indien. Dabei öffnete er sich auch dem Jazz und spielte zusammen mit Jan Garbarek, Richard Galliano, Palle Danielson, Jon Christensen und Manu Katché. Der internationale Durchbruch gelang ihm durch die Zusammenarbeit mit dem ECM-Label, das allein vier Alben produzierte.

Bei den meisten dieser Aufnahmen wurde er von Percussionist Lassad Hosni begleitet, der auch im Übersee-Museum dabei war. Hosni ist ein ausgesprochener Autodidakt. Nachdem er als Kind Tische und Wände mit seinen trommelnden Händen traktiert hatte, begann er mit 14 Jahren die Darbouka zu spielen und später die berühmte arabische Bendir – Instrumente, die nicht nur die komplizierte Rhythmik arabischer Musik akzentuieren, sondern über eine geradezu unerschöpfliche Klangfülle verfügen. Hosni versteht es, sie mit solch einfühlsamer Perfektion zu schlagen, daß sie mühelos als eigenständige, zuweilen gar melodietragende Instrumente gehört werden können.

Während Brahem und Hosni eine 20jährige Partnerschaft verbindet, ist Klarinettist Barbaros Erköse neu in der Formation. Erstmals bestreitet dieses Trio eine Tournee. Erköses Spiel korrespondiert wundervoll mit Brahems Ud. Ihn begleitend oder als Solist kre-ierte er musikalische Arabesken, deren Ornamentik von majestätischer Melancholie getragen wurde, um sich im nächsten Moment in turbulente Tanzsequenzen von praller Lebensfreude zu stürzen.

Mit dieser Art zu spielen entspricht er Brahems Anliegen, die Instrumente, die von der klassischen arabischen Musik auf die bloße Begleitfunktion der Sänger reduziert sind, aus dieser Rolle zu befreien. Ein Konzept, für das Brahem von konservativen Kreisen in seiner Heimat kritisiert wird. Das aber kann den Musiker, der mittlerweile auf den großen Festival-Bühnen der Metropolen in Übersee und Europa spielt, nicht aufhalten. Und schließlich, versichert er lächelnd, werde auch in den arabischen Ländern die Zahl seiner Zuhörer immer größer.

Mit dem Anouar Brahem Trio erlebte das Bremer Publikum einen Abend, der mitten hinein führte in Basare und Paläste, in die Räume zwischen Ausschweifungen und gottergebener Disziplin. Man könnte auch sagen, in den „Barzakh“: Barzakh, eines der bekanntesten Stücke Brahems, bezeichnet den Ort, an den die Seele sich begibt, bevor sie sich zur Wiedergeburt entscheidet. In diesem Sinne ist Brahems Musik eine durch und durch religiöse, wie er einräumt: „Ich mache keine Sufi-Musik, aber jede Musik, selbst die Tanzmusik, ist Religion, ist Quelle der Spiritualität.“ dah