■ Die Anderen
: Zum Parteitag der französischen Sozialisten schreibt die spanische Zeitung "La Vanguardia" / "Liberation" zum Verhältnis Jospin-Chirac / Die "Frankfurter Rundschau" und die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" zum CSU-Parteitag

Zum Parteitag der französischen Sozialisten schreibt die spanische Zeitung „La Vanguardia“: Die Politik ist von Natur aus unberechenbar. Aber der Fall des Lionel Jospin ist dennoch bemerkenswert. Als es vor zweieinhalb Jahren darum ging, einen Nachfolger für die mythische Figur des François Mitterrand zu wählen, war Jospin fast ein Unbekannter. Er hielt sich tapfer, verlor zwar gegen Chirac, aber dieser mußte seine gebrochenen Wahlversprechen teuer bezahlen.

Jospin trotzte Deutschland den EU-Beschäftigungsgipfel ab. Der Parteitag von Brest bedeutete seine Krönung. Aber Jospin sollte sich vor Übermut hüten. Zwar erlebt er ungewöhnlich lange Flitterwochen mit der Wählerschaft, begrub den Geist Mitterrands und verurteilte Chirac zur Bedeutungslosigkeit. Aber die Geschichte zeigt, daß gerade in Frankreich sich die Lage schnell wieder ändern kann.

„Liberation“ schreibt zum Verhältnis Jospin–Chirac: Chiracs Vorteil ist es, inmitten des Debakels seines politischen Lagers durch seine Funktion geschützt zu sein. Wie Mitterrand vereinigt er die Stimmen derer, die zufrieden sind, weil er redet, und die Stimmen jener, die froh sind, daß er nichts anderes macht. Mitterrand wartete sieben Jahre, ehe er sich an seinem Vorgänger Giscard rächte. Chirac hat höchstens fünf Jahre Zeit, um dies mit Jospin zu tun, der zum gemeinsamen Kandidat der Linken avanciert ist.

Zum CSU-Parteitag liest man in der „Frankfurter Rundschau“: Die von Stoiber und seiner Riege ausgeheckte Forderung nach regionaler Staffelung der Sozialversicherungsbeiträge ist der egoistische Ausstieg eines Landesfürsten, dem es gutgeht, aus der Solidargemeinschaft, von der gerade Bayern jahrzehntelang profitiert hat. CSU-Chef Theo Waigel, der dagegen seine Stimme erheben müßte, blieb auf dem Parteitag stumm und ließ seinen Vize Seehofer allein den Kopf hinhalten. Ein Parteichef, der feige schweigt, ist aber fehl am Platze. Es wäre ehrlicher gewesen, die CSU hätte gleich Edmund Stoiber zum Vorsitzenden gewählt. Waigel hingegen ist offenbar nur noch Frühstücksdirektor von Stoibers Gnaden.

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schätzt Waigels Rolle in der CSU wesentlich freundlicher ein: Geändert hat sich mit diesem Parteitag weder in der CSU noch im Verhältnis zur CDU etwas. Das Gleichgewicht zwischen dem landespolitischen und dem bundespolitischen Lager in der CSU haben die von Waigels Ergebnis aufgeschreckten Delegierten binnen einer Viertelstunde mit einem auffallenden Vertrauensbeweis für Seehofer wiederherzustellen gesucht, obwohl – oder vielleicht gerade weil – er die gesamtdeutsche Verantwortung der CSU hervorgehoben hatte. Die Parteibasis hält am doppelten Anspruch der CSU im Freistaat wie im Bund fest, was Stoibers Anhänger nicht übersehen dürfen.