Leichathletikverband gerät unter Druck

■ Schwuler Sportverein „Vorspiel“ erhält Unterstützung von offizieller Seite für Verbandsaufnahme

Der Brief von Tiergartens Sportstadträtin Elisa Rode (Bündnis 90/Die Grünen) an den Berliner Leichtathletikverband (BLV) ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: „Ich fordere Sie auf, den Verein ,Vorspiel – Schwuler Sportverein Berlin e.V.‘ unverzüglich in den Leichtathletikverband aufzunehmen.“ Sollte dies nicht geschehen, „sehe ich mich in Zukunft nicht mehr in der Lage, einer solch undemokratischen Organisation Sportanlagen in Tiergarten für den Wettkampfbetrieb zur Verfügung zu stellen“. Dem Schreiben vorausgegangen war ein einstimmiger Beschluß des Sportausschusses: „Das Bezirksamt werde diese Diskriminierung nicht weiter dulden.“

Den Brief von Ende September will Gunter Hochgräber, Vizepräsident des Leichtathletikverbandes, bis heute nicht erhalten haben. Sollte das Bezirksamt aber tatsächlich entschieden haben, seinem Verband die Benutzung von Sportstätten zu verweigen, „werden wir dagegen gerichtlich vorgehen“. Hochgräber ist sich sicher: „Wir werden gewinnen.“

Elisa Rode wollte ein Zeichen setzen. Seit acht Jahren schon weigert sich der Leichtathletikverband, den Verein aufzunehmen – weil die Begriffskombination Vorspiel und „schwul“ unschöne Assoziationen wecke. Mit dieser – allerdings auch vom Kammergericht bestätigten Begründung – steht der Verband alleine dar. Völlig unproblematisch dagegen verlief die Aufnahme in den Volleyball-, Turner- und Badminton-Verband.

Begonnen hatte die Posse bereits 1989. Der Leichtathletikverband lehnte den Aufnahmeantrag von Vorspiel ab, das Landgericht bestätigte dies. Begründung: „Unsachliche Emotionen werden hervorgerufen.“ Auch im Revisionsverfahren 1992 vor dem Kammergericht scheiterte Vorspiel. Allerdings mit einem kleinen Erfolg: Einem Verein mit der Bezeichnung „schwul“ könne die Aufnahme nicht verweigert werden. So wurde die Leichtathletikgruppe aus dem Verein Vorspiel ausgegliedert – und als „Schwuler Sportverein e.V.“ in den Verband aufgenommen.

Für Vorspiel-Pressesprecher Ortwin Passon jedoch ist diese „juristische Krücke“ nicht mehr zeitgemäß. „Vorspiel ist inzwischen weltweit unter seinem Namen in der Sportwelt eingeführt und profiliert, so daß es Vorspielern nicht mehr zuzumuten ist, unter einem anderen Etikett an die Startlöcher zu gehen.“ Erst im Oktober wurde Vorspiel die Austragung des 3. International Front Runners übertragen. Anfang April 2000 soll das leichtathletische Großereignis in Berlin stattfinden.

Nun hat Vorspiel einen erneuten Aufnahmeantrag gestellt. Rückendeckung bekommt der Verein auch von Schönebergs Sportstädträtin Ulrike Herpich- Behrens (Bündnisgrüne), die inzwischen mehrfach beim Leichtathletikverband interveniert hat. Ebenso der Ex-Bürgermeister von Wilmersdorf und der Präsident der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft, Horst Dohm. Dieser hat den BLV-Präsidenten Joachim Günther „vor einer erneuten Fehlentscheidung“ gewarnt. Nach Angaben von Vorspiel-Pressesprecher Passon habe sich jetzt auch Staatssekretär Klaus Löhe von der Senatssportverwaltung für „die Vielfalt der Mitgliedsvereine im BLV“ ausgesprochen. Jens Rübsam