■ Über den Tellerrand geschaut
: Sozialverträgliche Studiengebühren

Was sich Margaret Thatcher nicht getraut hat, setzt jetzt Tony Blair durch: Vom kommenden Herbst an werden in Großbritannien erstmals Studiengebühren erhoben. Und nicht zu knapp: Bis zu umgerechnet 3.000 Mark pro Jahr soll die StudentInnen künftig berappen. Für ein Viertel der Bildungskosten werden die Studierenden dann selbst aufkommen müssen. Befreit werden zwar Studis aus Familien mit einem Bruttojahreseinkommen unter 67.850 Mark. Das trifft aber nur auf ein knappes Drittel der rund zwei Millionen StudentInnen in Großbritannien zu. Hinzu kommt, daß bis 1999 auch die bisher gewährten Unterhaltsbeihilfen gestrichen werden sollen. An ihre Stelle soll ein neues System von Darlehen treten, das den Zugang zur Hochschulbildung für alle offenhält, verspricht Bildungsminister David Blunkett.

In den Niederlanden sind Studiengebühren nichts Neues, sie wurden bereits in den 50er Jahren eingeführt. Im nächsten Semester müssen die StudentInnen rund 2.400 Mark im Jahr zahlen. Aber: alle Studierenden erhalten ein elternunabhängiges Grundstipendium von etwa über 370 Mark monatlich, wodurch die Gebühren komplett aufgefangen werden. Die niederländischen StudentInnen entscheiden also, zu welcher Universität sie das staatliche Geld tragen, und werden von den Hochschulen entsprechend umworben. Einige Universitäten versuchen sogar die streikenden Kommilitonen aus Deutschland mit einer „Studienplatzgarantie“ abzuwerben.

In Australien wurden Studiengebühren 1989 eingeführt. Zur Zeit betragen sie rund 2.740 Mark im Jahr. Was auch deutsche Professoren vom „Australischen Modell“ schwärmen läßt: Die Rechnung wird erst dann vom Staat ausgestellt, wenn die ehemaligen StudentInnen ein Einkommen erzielen, das dem durchschnittlichen Jahreseinkommen in Australien entspricht, umgerechnet etwa 31.000 Mark. Bei der Rückzahlung werden keine realen Zinsen erhoben, die Schuld erhöht sich nur entsprechend der Inflationsrate.

In den USA kostet der Einlaß in eine der angesehenden Universitäten 20.000 bis 50.000 Mark. Weil es darüber hinaus als Selbstverständlichkeit gilt, daß die ehemaligen StudentInnen und US-Konzerne großzügig spenden, haben diese Universitäten ein Budget zur Verfügung, von dem deutsche Rektoren nur träumen können. Dementsprechend sind die Studienbedingungen erstklassig: kleine Seminare, persönliche Betreuung, reich ausgestattete Bibliotheken. Allerdings sind die wenigsten Amerikaner in der Lage, diesen „Luxus“ für ihre Kinder zu finanzieren. Zwar gibt es noch die staatlichen Hochschulen. Doch deren Ruf ist schlecht, und selbst dort kostet das Studium im Schnitt noch 15.000 Mark.

In Europa ist Deutschland nicht das einzige Land ohne Studiengebühren: Auch in Skandinavien, Österreich, Frankreich und Luxemburg zahlt der akademische Nachwuchs nichts. Irland plant derzeit sogar, seine Gebühren abzuschaffen. Noel Rademacher