Neue rechtsradikale Vorfälle

■ Ein ehemaliger Rekrut berichtet an Eides statt über rassistische und antisemitische Äußerungen in der Truppe. Die Hardthöhe will heute einen Untersuchungsbericht vorlegen

Berlin (dpa/taz) – Die Bundeswehr gerät weiter unter Druck. Gestern wurde ein neuer Fall rechtsradikaler Umtriebe in einer Kaserne bekannt. Diesmal ist die Friesland-Kaserne in Varel (Niedersachsen) betroffen.

„In unserer Kaserne (kam es) regelmäßig etwa ein- bis dreimal im Monat zu rechtsradikalen Ausschreitungen. In unserer Einheit waren mindestens drei Unteroffiziere und drei Mannschaftsdienstgrade mit rechtsradikaler Gesinnung“, schreibt Christian Krause (21) in einer eidesstattlichen Versicherung. Der ehemalige Gefreiter ist der Sohn von Ex-Bundesverkehrsminister Günther Krause. Bis vor fünf Tagen diente Krause junior in der Ausbildungskompanie des Fallschirmjägerbataillons 313 in Varel. Im Verteidigungsministerium reagierte man verärgert auf die Aussagen Krauses: „Es ist nicht in Ordnung, daß er mit seiner Information solange gewartet hat, bis er die Uniform ausgezogen hat“, sagte ein Ministeriumssprecher.

Bei Feiern hätten die Soldaten der Friesland-Kaserne „immer wieder auf den ,Führer‘ angestoßen“. Danach hätten mehrere Unteroffiziere den Hitlergruß gezeigt und „Sieg Heil“ gerufen. Auch Sätze wie „Die Juden müssen vergast werden“ und „Ausländer raus“ seien gerufen worden.

Die eidesstattliche Versicherung von Christian Krause wurde gestern in der Bild am Sonntag veröffentlicht. Wenn seine Kameraden ausfallend wurden, habe er sich „sehr geschämt“. Er habe sich „daraufhin zusammen mit drei anderen Kameraden von dieser Gruppe entfernt“. Lange habe er darüber nachgedacht, wie er mit diesem Vorfall umzugehen habe, sagt Krause. „Doch da in der Bundeswehr die Aussage eines Gefreiten gegenüber der Aussage eines Vorgesetzten nicht akzeptiert wird, habe ich zunächst einmal geschwiegen.“

Einmal seien in der Kaserne neonazistische Kataloge gefunden worden. Daraufhin habe ein Vorgesetzter vor der bevorstehenden Durchsuchung durch den Militärischen Abschirmdienst gewarnt. Die Soldaten hätten das Material danach „säckeweise aus ihren Spinden“ geschafft.

Nach dem Bekanntwerden der Vorfälle müsse der Verteidigungs- Untersuchungsausschuß nun auch beim Militärischen Abschirmdienst nachforschen, forderten die Grünen gestern in Bonn. Vorwarnzeiten vor einer Durchsuchung zeugten entweder von mangelndem Aufklärungswillen oder sträflicher Schlamperei.

Der ranghöchste Offizier des Heeres in den neuen Bundesländern, Joachim Spiering, sagte gestern gegenüber der Nachrichtenagentur dpa, es gebe „kein Problem Bundeswehr, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem. Von einem Bundeswehrproblem könnte nur dann gesprochen werden, wenn Dienstgrade, also Berufs- und Zeitsoldaten, in größerer Zahl oder Gruppenstrukturen unter den Soldaten auffällig geworden wären.“ Bundesweit wurden in diesem Jahr 160 Verdachtsfälle mit rechtsradikalem Hintergrund bekannt. Ein Drittel der Meldungen entfallen auf ostdeutsche Kasernen, so Spiering.

Bereits heute soll der Sonderinspekteur des Herres einen ersten Bericht über die Vorfälle in Varel dem Verteidigungsministerium vorlegen. Wie die Hardthöhe gestern mitteilte, soll auch auf den Punkt eingegangen werden, daß ein Kamerad Krauses bereits im Juli Meldung über die Vörgänge erstattet habe, ohne daß dies Folgen gehabt habe. Der Pressesprecher mißbilligte, daß sich Krause in einer „spektakulären Zeitungsaktion“ geäußert habe. Annette Rogalla