"Deutschland, bitte raushalten!"

■ Trotz des Telefonats von Kohl mit dem italienischen Ministerpräsidenten Prodi verschlechtert sich das Klima zwischen beiden Ländern. CDU und CSU kriminalisieren kurdische Flüchtlinge

Bonn/Rom (AFP/AP/dpa) – Italien hat sich in ungewöhnlich scharfer Form gegen die deutschen Vorhaltungen verwahrt, es reagiere zu lax auf die kurdischen Flüchtlinge an seinen Grenzen. Erst kurz zuvor hatte die Bundesregierung ihre Absicht bekräftigt, Rom angesichts eines Zustroms kurdischer Flüchtlinge in die Pflicht zu nehmen. Außenminister Klaus Kinkel forderte die italienische Regierung auf, seine Außengrenzen besser zu sichern. Die Mitgliedschaft beim Schengen-Abkommen gebe es nicht zum Nulltarif. Für die italienische Regierung konterte der Staatssekretär im Außenministerium, Piero Fassino: „Deutschland darf sich in der Kurdenfrage nicht zum Richter aufwerfen.“ Italien erfülle seine Verantwortung und halte die Vereinbarungen von Schengen ein, meinte er in einem Interview mit der Mailänder Zeitung „Corrriere della Sera“.

Bundeskanzler Helmut Kohl und der italienische Ministerpräsident Romano Prodi hatten am Dienstag telefonisch das Kurdenproblem erörtert. Offiziell wurde über den Inhalt des Gesprächs zunächst nichts mitgeteilt. Inoffiziell hieß es, Prodi habe bekräftigt, Italien wolle den Kurden Asyl gewähren. Jeder Fall werde einzeln geprüft. Unterstützung erfuhr Prodi von Sadako Ogata, der UN-Hochkommissarin für Flüchtlinge. „Aus unserer Sicht ist die Haltung der italienischen Regierung sehr gut“, sagte Ogata, die sich gestern in der philippinischen Hauptstadt Manila aufhielt. Die Hochkommissarin lobte ausdrücklich die italienische Entscheidung, den Kurden politisches Asyl zu gewähren.

Demgegenüber rücken in der Bundesrepublik CDU und CSU die Flüchtlinge verstärkt in einen Zusammenhang mit Kriminellen. So hat der Bonner CSU-Landesgruppenchef Michael Glos gestern den Einsatz aller „kriminaltechnischen Mittel“ gefordert, um die Flüchtlinge zu stoppen. Es sei unerträglich, daß Italien die Flüchtlinge „nicht festhalte“. Bayerns Innenminister Beckstein (CSU) drohte, wenn Italien seine Grenzen nicht besser kontrolliere, müsse die Reisefreiheit in den Schengen-Staaten möglicherweise eingeschränkt werden. Bundesinnenminister Kanther (CDU) hatte am Dienstag geäußert, die Bundesregierung werde es nicht hinnehmen, „daß die nächste illegal, verbrecherisch organisierte Wanderungsbewegung wegen Weltkonflikten sich erneut in Deutschland abspielt“. Die grünen Bundestagsabgeordneten Amke Dietert- Scheuer und Rezzo Schlauch warfen Kanther vor, „ob gewollt oder ungewollt: Mit seiner Konzeption einer ,Festung Europa‘ steht er begrifflich in der historischen Tradition von Hermann Göring.“