Puppen, Knödel, Kinderhemden

Die Köpfe haben kein Gesicht, die Haare sind Körperteile: Die Berliner Künstlerin Sati Zech präsentiert in ihrer aktuellen Ausstellung in der Galerie Tammen & Busch neue Objekte und Papiercollagen  ■ Von Cornelia Gerner

Solange man zurückdenkt, maßen die Menschen ihren Haaren besondere Bedeutung bei – in Brauchtum, Rechtsprechung, im Bereich des Okkultismus und Aberglaubens, als Statussymbol, in den Sitten. Das Abschneiden von Haaren galt schon in der Antike als Strafe für Ehebruch und Prostitution. Im Mittelalter waren nur Unterworfene und Sträflinge geschoren. Todeskandidatinnen wurden vor ihrer Exekution die Haare geschnitten.

„Zöpfe“, „Zopf“, „Haarteil“, „Perücke“, „Locken“, so heißt ein großer Teil der neuesten Arbeiten von Sati Zech, die zur Zeit in der Galerie Tammen & Busch zu sehen sind: unaufwendig geklebte, farblich reduzierte Collagen, in denen die Linien rot übers Papier kreisen und zu Ketten und Haufen werden.

So zum Beispiel die sparsam hochgekringelte Zopfspirale, die am oberen Papierrand abknickt. Dort, wo der Zopf stumpf und brutal abgeschnitten wurde, der Länge des Zopfes nach zu schließen ganz oben am Kopf, hängt das Haarbüschel nach unten. Wäre der skalpartige Zopf kein Zopf, wär' er ein Galgen.

Die 160 x 180 Zentimeter große, gekräuselte „Perücke“ daneben könnte man als Kopf ohne Gesicht beschreiben. Und eine Arbeit mit dem Titel „Kopf“ zeigt keinen Kopf, sondern besteht nur aus zwei Zöpfen. In Wirklichkeit werden in all diesen Arbeiten Haare nicht als Haare gezeigt, sondern als Körperteile.

Sati Zech setzt sich seit Jahren mit Körperlichkeit und Körpererfahrung auseinander. Ihr letzter Katalog heißt „Die Kindheit der Dinge“. Nicht „Die Dinge der Kindheit“. Denn nicht irgendeine Kindheit ist gemeint. Nun sind „Mieder“, „Bett“, „Straps“, „Kinderhemd“, „Knödel“, „Puppe“, „Hubschrauber“, „Schuhe anziehen“ und „Honigzunge“, großenteils 1997 gemalt, auch hier zu sehen. Sati Zech ist mit dem Thema schon lange beschäftigt und noch lange nicht damit fertig. Gegenüber den früheren Arbeiten jedoch werden nur wenige Papiere übereinandergeklebt, um die Gedanken, die um den Körper kreisen, mit Linien und Flächen in Einklang zu bringen.

Anders als früher, wo ganz verschiedene Arbeiten durch Schneiden, Zusammen- und Überkleben eins werden konnten, strickt Sati Zech nun das Thema durch. Die äußere Form der Collagen, die über lange Zeit durch Von-innen- nach-außen-Arbeiten bestimmt war, erscheint jetzt fast viereckig, sie nehmen Blattform an, egal in welcher Bildgröße.

Eine andere Serie heißt „Meine Waffen“. Nebeneinander hängen ein Gerät, das – halb Bohrmaschine, halb Gewehr – nach unten zeigt, dazu ein „Dolch“ mit roter Klinge und eine „Gabel“. Sati Zechs Arbeiten thematisieren Begrenzungen im Leben, zeigen geballte Gewalt, spiegeln aggressive Sexualität. Und dies um so stärker, als die Aggression und Gewalt zuerst gespürt, danach erst formal erkannt wird: Die kleinen Haken und langen Spitzen, die vorstehen, sich ineinanderschieben und verkeilen, sind nur Indizien. Die große Form und ihr Inhalt entschlüsseln sich viel langsamer. Denn die Künstlerin bewegt sich in dem Zwischenbereich von Abstraktion und Figürlichkeit. Und schließlich beinhalten die Bilder viele Bilder. Das Haarbüschel könnte auch eine Peitsche sein, das Gewehr ein Rieseninsekt.

In der Ausstellung hängen auch zwei ältere Arbeiten von 1990. Die eine heißt „Tier“ und ist 103x160 Zentimeter groß. Das „Tier“ liegt auf dem Rücken, ohne wirklich zu liegen. Eher scheint es zu schweben, trotz der gekreuzten, gebundenen Vorderbeine. Das „Tier“ ist schwarz und steif, es ist tot.

Bis 31. Januar, Fidicinstr. 40, Di.–Fr. 13–18, Sa. 11–14, So. 15–18 Uhr