Wegen eines Heugabelzinkens vor Gericht

Atomgegner Adi Lambke soll beim Castor-Transport Polizisten mit einer Forke traktiert haben. Die aber zerdepperten ihm die Fahrerkabine des Treckers und schlugen ihn mit Knüppeln zusammen  ■ Aus Dannenberg Jürgen Voges

Ein kräftiges „Pfui Deibel!“ war an den roten Protesttrecker vor dem Amtsgericht Dannenberg zu lesen und der Spruch: „Sich nicht an die Schläger-Bullen wagen – aber unseren Bauern jagen“.

Mit diesen derben Worten faßte zumindest die wendländische Bäuerliche Notgemeinschaft den Inhalt jenes Strafprozesses zusammen, in dem seit gestern der Altbauer und Castor-Gegner Adi Lambke in dem roten Backsteinbau oberhalb des Dannenberger Marktes vor dem Amtsrichter steht. Dem 67jährigen wirft die Staatsanwaltschaft Lüneburg Nötigung eines Wasserwerfers, Widerstand gegen die Staatsgewalt und versuchte gefährliche Körperverletzung vor. Das ist mehr, als in dem allwöchtlichen Gorleben-Prozeß um Sitzblockaden oder Verstoß gegen die Demonstrationsverbote während der Castor-Tranporte eigentlich üblich ist.

Der 67jährige Adolf „Adi“ Lambke fuhr schon im Mai 1979 vorneweg, als über 300 Bauern aus dem Wendland nach Hannover zogen und dort von über 100.000 Demonstranten gegen den Entsorgungspark Gorleben begrüßt wurden. Auch vor Gericht hatte er in den frühen Zeiten des Gorleben- Widerstands schon einmal gestanden. 1983 erreichte sein Anwalt Gerhard Schröder, der heutige Ministerpräsident, eine Einstellung in einem Prozeß, in dem es um Körperverletzung eines Polizisten durch eine angebliche Gülledusche ging.

Gut 5.000 Mark Sachschaden habe ihm die Polizei beim letzten Castor-Transport nach Gorleben im März 1997 zugefügt, durch drei zerstörte große Traktorenreifen, sagte der Landwirt mit dem grauen Kinnbart gestern vor Gericht. Im Jahr zuvor hatten die Ordnungskräfte schon einmal für 5.000 Mark Schaden an dem Traktor gesorgt. Mit ihm stellte sich Adi im Mai 1996, am Vortag des zweiten Gorlebentransportes, vor eine Gruppe von Sitzblockierern, die in seinem Heimatdorf Jameln den für den Castor bestimmten Tieflader an der Weiterfahrt hinderten.

Wenige Minuten später hatten Beamte der Einsatzhundertschaft aus Schleswig-Holstein, die den noch leeren Tieflader begleiteten, die Scheiben des Traktors zerschlagen, rissen den leicht gehbehinderten Altbauern vom Fahrersitz und malträtierten ihn dabei mit Knüppel- und Faustschlägen.

Prellungen am Kopf, Beinen, Armen und eine stark blutende Wunde im Gesicht trug der Aktivist der Bäuerlichen Notgemeinschaft damals davon. Die Strafanzeige wegen Körperverletzung gegen die Polizeibeamten, die seine hannoversche Rechtsanwältin Hela Rischmüller damals erstattete, hat die Staatsanwaltschaft Lüneburg längst zu den Akten gelegt.

Adi Lambke allerdings wurde im vergangenen Jahr angeklagt. Kurz bevor sein Fahrerhaus gestürmt wurde, habe er noch versucht, die defekte, nicht abschließbare Tür seines Treckers mit einem sogenannten Heugabel- oder Frontladerzinken von innen zu sichern. Eine solche, rund einen Meter lange gebogene Eisenstange führen hier viele Bauern in ihren Traktoren mit sich. Sie läßt sich etwa dazu beutzen, um direkt vom Führerhaus aus einen Anhänger an- oder abzukuppeln.

Mit dieser Stange fuchtelte Adi Lambke wild um sich, als die ersten Polizisten ihm aufs Knie und die Beine schlugen. Lambke sprach gestern von Reflexbewegungen „in Schmerzen und Panik“. Die Anklage sieht in den Bewegungen, bei denen kein Polizist verletzt oder berührt wurde, eine versuchte gefährliche Körperverletzung. Auch einer der insgesamt neun nach Dannenberg als Zeugen geladenen Polizisten sagte gestern aus, er habe die Scheiben des Traktors nur eingeschlagen, um Kollegen vor Schlägen mit der Eisenstange zu bewahren.

Am gestrigen Verhandlungstag wurden vier der neun geladenen Polizeizeugen vernommen. Dabei wurde zumindest klar, daß der Wasserwerfer, den der Landwirt genötigt haben soll, später ohne Schwierigkeiten an dem Trecker vorbeifahren konnte. Immer wieder erkundigte sich Amtsrichter Volkmer danach, warum die eingesetzten Polizeibeamten nicht auf das Gesprächsangebot eines Pfarrers eingegangen sind, der zwischen dem Einsatzleiter und den Sitzblockieren vermitteln wollte. Genauen Aufschluß über das Geschehen am Mittag des 7. Mai 1996 im Jameln erwartet die Verteidung in dem auf vier Tage angesetzten Prozeß von den Videos, die damals nicht nur die Polizei, sondern auch Fernsehteams bei der Straßenblockade aufgenommen haben.