Schickimicki- oder Kiez-Kultur?

■ Schiller Oper: Bezirk Mitte und Grundstücks-Eigentümerin streiten um die künftige Nutzung des Traditionsbaus in St. Pauli Von Heike Haarhoff

Hochkarätiger Kulturtempel mit Varieté, Revuen, Gala-Abenden und vielen auswärtigen Gästen im Stil der Operettenseligkeit der 20er und 30er Jahre? Oder öffentliches Begegnungszentrum mit kleinen Läden, Kinderbetreuung, Altentreff und Stadtteilzentrum für die AnwohnerInnen im Sanierungsgebiet zwischen Neuem Pferdemarkt und Friedhof Norderreihe? Der Streit um die künftige Nutzung der „Schiller Oper“ in St. Pauli zwischen dem Bezirk Mitte und der Eigentümerin, der Hamburger Grundstücksverwaltung Krützfeldt und Langbehn (GKL), hat neue Dimensionen angenommen.

Bis vor das Verwaltungsgericht Hamburg zog GKL-Geschäftsführer Erhard, um seinen abgelehnten Bauantrag für ein Kulturzentrum mit überörtlicher Bedeutung durchzusetzen. Diese Nutzung widerspricht laut Peter Illies, Leiter der Stadtplanungsabteilung in Mitte, dem gültigen Bebauungsplan „St. Pauli 24“ von 1986. Der weist das Gelände der Schiller Oper als Marktfläche aus: „Das Viertel ist ein Sanierungsgebiet mit dicken sozialen Problemen“, stellt Illies klar. Gebraucht würden dort keine Einrichtungen für zahlungskräftige, vergnügungssüchtige Touristen, sondern solche für die Leute vor Ort: „Das muß mit den Zielen der behutsamen Stadterneuerung im Einklang stehen.“ Finanzieren soll sie die Grundstückseigentümerin; die Kosten werden auf knapp 20 Millionen Mark geschätzt.

Das Verwaltungsgericht bestätigte die Rechtsgültigkeit des B-Plans, appellierte aber an die zerstrittenen Parteien, sich doch zu einigen. „Wir sind an einer für beide tragbaren Lösung interessiert und führen inzwischen wieder Gespräche mit Herrn Erhard“, erklärte Baudezernent Peter Gero gestern. Doch die scheinen nicht so recht fruchten zu wollen: Gegenüber der Hamburger Agentur „nottinger-schwarz-press“ verteidigte Erhard sein Konzept und erklärte, daß es für ihn „wie das Glücksgefühl über das Jahrhundert-Ereignis der Maueröffnung“ sei, wenn in der Schiller Oper „der Vorhang aufgehen“ würde. Doch das Bezirksamt habe sich entschieden gegen ein Bühnenhaus und für Gewerbeflächen ausgesprochen. Für die taz war gestern keiner der GKL-Geschäftsführer zu einer Stellungnahme zu bewegen.

Im Krieg wurde das Gebäude stark beschädigt, 1975 brannte ein Teil aus, die Bühnennutzung wurde unmöglich. Zur Zeit residiert ein Restaurant in dem Gebäude. Doch den Vorwurf, den kulturhistorischen Wert der manegeförmigen, um die Jahrhundertwende erbauten Schiller Oper – Stars wie Hans Albers und Asta Nielsen traten hier auf – zerstören zu wollen, weist Baudezernent Gero entschieden zurück: „Das historische Gebäude bleibt erhalten – für die Anwohner.“ Für eine überörtliche Nutzung fehlten außerdem die nötigen Parkplätze, so Illies, der für solche Objekte eher Standorte wie die Reeperbahn empfahl. Die Kulturbehörde will keine Seite „ideell“ unterstützen: „Es ist ja nicht so, daß die Theaterstruktur zerstört wird, weil es ja dort derzeit gar keine Bühne gibt“, vermied Behördensprecher Ingo Mix diplomatisch jede Parteilichkeit.