Pinochets Machtwille fordert ein Opfer

Der chilenische Verteidigungsminister wirft das Handtuch, weil der Exdiktator seinen Rücktritt als Armeechef verschoben hat. Doch dieser hat vorgesorgt: Die Verfassung ist auf seine Zukunftspläne zugeschnitten  ■ Von Ingo Malcher

Buenos Aires (taz) – General Augusto Pinochet hat vorgesorgt. Die Verfassung Chiles ist für seine Zukunftspläne maßgeschneidert. Anfang März muß der General den ordenbehangenen Soldatenmantel ausziehen, allerdings will er für den Rest seines Lebens in den Senat, um weiterhin die Zügel in Chile in der Hand zu halten. Der General, der 1973 den demokratisch gewählten sozialistischen Präsidenten Salvador Allende aus dem Amt putschte und während dessen 17jähriger Diktatur etwa 3.200 Regimegegner ermordet wurden, will nicht von der Macht lassen.

Als sich im Land Widerstand gegen Pinochets Pläne rührte, lebenslang in den Senat einzuziehen, verschob dieser seinen Abschied aus der Armee. Seine Sturheit hat am Freitag ein Opfer gefordert. Verteidigungsminister Edmundo Perez Yoma trat zurück, da Pinochet nicht, wie zuvor angekündigt, am 26. Januar als Armeechef abdankt. Perez hatte mit Pinochet das Datum vereinbart, „aber da der General Pinochet seine Pläne geändert hat, glaube ich, nicht länger warten zu können, so gehe wenigstens ich“, sagte er resigniert.

Schon seit längerer Zeit war bekannt, daß Perez als Botschafter Chiles nach Argentinien gehen wird. Doch daß sein Rücktritt noch vor der geplanten Kabinettsumbildung kommen würde, hatte im Regierungspalast La Moneda niemand erwartet. Sein Nachfolger, der 64jährige Jurist und Christdemokrat Raúl Troncoso Castillo, hilft sich in der schwierigen Lage mit Zweckoptimismus. „Obwohl die Situation als sehr delikat bezeichnet werden kann, habe ich das enorme Vertrauen, daß wir alle Probleme lösen werden, die anstehen“, machte er sich Mut.

Noch hat Pinochet sich nicht dazu geäußert, wann es ihm genehm ist, von den Streitkräften Abschied zu nehmen. Sicher ist, daß er bis zum 26. März den Absprung geschafft haben muß. Dieses Datum schreibt ihm die Verfassung vor. Zwar hat er sich gut abgesichert, doch die Stimmung im Land ist sehr gereizt, und viele wollen alles tun, um einen Senator Augusto Pinochet zu verhindern. Fünf Abgeordnete der regierenden Christdemokraten wollen eine Verfassungsklage gegen ihn erwirken, die Regierungsparteien wollen eine Volksbefragung starten, und die Kommunistische Partei hat ihn wegen Völkermord, Entführung und illegalem Verscharren von Leichen angezeigt.

Allerdings ist Pinochet juristisch aus dem Schneider. Ein Amnestiegesetz sichert ihm in Chile Straffreiheit zu, und die Verfassung ebnet ihm als ehemaligem Staatschef den Weg in den Senat. Außerdem haben die Pinochet-nahen rechtsextremen Parteien bei den vergangenen Parlamentswahlen zugelegt und 35 Prozent der Stimmen erhalten. Im Senat haben sie eine Sperrminorität.

Am Samstag gingen Anhänger der linken Parteien in der Hauptstadt Santiago auf die Straße. „Nie wieder Pinochet“ stand auf ihren Transparenten. „Wir werden mit zahlreichen anderen Organisationen alles Menschenmögliche unternehmen, damit Pinochet nicht in einem Senatorensessel Platz nehmen kann“, versprach die Vorsitzende der Kommunistischen Partei, Gladys Marin, deren Mann während des Pinochet-Regimes ermordet wurde. Für Marin gibt es in Chile nur einen Platz für Pinochet: „Das Gefängnis.“