„Klienten sind jünger geworden“

■ Seit einem halben Jahr gibt es in der Vahr eine eigene Drogenberatungsstelle Ost: „Da kommen auch ganz normale Leute“

Spritzbestecke im Vorgarten, pöbelnde Junkies auf der Straße und ein krasses Ansteigen der Beschaffungskriminalität: So haben sich viele BewohnerInnen der Vahr die Effekte der Drogenberatungsstelle Ost in ihrem Stadtteil vorgestellt.

Vor einem halben Jahr noch – die BeraterInnen bezogen gerade Quartier in der Wilhelm-Leuschner-Straße – kursierten wilde Befürchtungen. „Alles Quatsch“, sagen jetzt Drogenberater, Anwohner und die Polizei. Im Bremer Osten gibt es keine Konflikte zwischen Anwohnern und Süchtigen.

Die Anerkennung und Akzeptanz der Arbeit der Drogenberater eint den Bremer Osten. Dr. Sabine Hebenstreit-Müller, Leiterin des Amtes für Soziale Dienste/Ost, hält das Verhältnis zur Beratungsstelle für „ausgesprochen positiv“.

Auch AnwohnerInnen hätten sich bis jetzt noch nicht über die Nachbarn beschwert. Herbert Jager, Leiter des Polizeireviers in der Vahr, hat „überhaupt keine Probleme“mit der Beratungsstelle.

Mit dem Umzug auf das Gelände des Amtes für Soziale Dienste/Ost ist im letzten Sommer die Dezentralisierung der bremischen Drogenberatungsstellen abgeschlossen worden.

Das Konzept: Hilfe soll in der Nähe vom Wohnort, nicht nur an einer zentralen Stelle geleistet werden. Zuvor war die Beratungsstelle Ost im Waller Volkshaus untergebracht. Dort sei die Hemmschwelle sehr groß gewesen, sagt die Drogenberaterin Heike Kraß, die zusammen mit dem Sozialarbeiter Rolf Siemon etwa 160 Klienten aus dem gesamten Bremer Osten betreut.

Vornehmlich berät sie jetzt süchtige Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 20 Jahren. „Die Klienten sind jünger geworden“, schätzt Kollege Siemon die neue Lage ein: Teilweise finden die Jugendlichen den Weg zu den Beratern nur im Schlepptau von Eltern oder Angehörigen. Die Frage, weshalb jemand zur Droge greife, stehe an oberster Stelle.

Die zwei Sozialarbeiter kooperieren intensiv mit anderen Projekten, freien Trägern und Initiativen. Zu Jugendamt und Familientherapeuten bestehen enge Kontakte. An einer Zusammenarbeit mit einigen Ärzten, die Süchtige mit Methadon substituieren, wird gearbeitet.

„Den klassischen Junkie gibt es nicht mehr“, bemerkt Heike Kraß. „Da kommen ganz normale Leute“, betont auch Regina Schönhof, Verwaltungsangestellte in der Drogenberatungsstelle Ost. Der gehobene Mittelstand – früher vermeintlich resistent gegenüber harten Drogen – gehöre dazu.

In diesen Kreisen ist vor allem die Kopplung von Haschisch und Designerdrogen verbreitet – oftmals im Glauben an eine Leistungssteigerung eingenommen. „Das paßt halt voll in unsere Zeit“, merkt Heike Kraß lakonisch an.

Stephan Hespos