Papst nimmt Bischöfen den Schein

■ Deutsche Bischöfe sollen die katholischen Beratungsstellen anweisen, keine Bescheinigungen für die Abtreibung mehr auszustellen. Bischofskonferenz geht seit Sonntag mit dem Papstbrief schwanger. Ergebnis wird heute erwartet

Berlin (taz) – Papst Johannes Paul II. läßt den deutschen Bischöfen offenbar keine andere Chance als den Ausstieg aus der staatlichen Schwangerenkonfliktberatung. Sein Brief zur Frage der Schwangerschaftsberatung weist die Bischöfe an, in den 269 katholischen Beratungsstellen künftig keine Bescheinigung mehr auszustellen, wie sie für eine legale Abtreibung in der Bundesrepublik notwendig ist. Das kirchenkritische Magazin Publik Forum, dem der Papstbrief nach eigenen Angaben vorliegt, erklärte, der Papstbrief „hat den Charakter einer unabdingbaren Richtlinie“. Einzig die Frage, wie die Bischöfe die Beratung in ihren Bistümern von der heutigen Praxis auf ein Gespräch ohne Beratungsschein umstellen und bis wann dies geschehen soll, lasse das Schreiben offen.

Nach Beendigung der gestrigen Bischofsklausur im Kloster Himmelspforten bei Würzburg erklärte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann, daß sich die Oberhirten einstimmig auf eine gemeinsame Reaktion auf das „apostolische Schreiben“ geeinigt haben. Er deutete an, daß die Kirche nicht ganz aus der Beratung aussteigen werde. Das Ergebnis wird Lehmann heute in Mainz verkünden. Die gestrigen Gespräche waren von Demonstrationen für und gegen den Erhalt der kirchlichen Beratungsstellen begleitet.

Offensichtlich bindet der Brief des Papstes die Bischöfe weitaus enger, als in den vergangenen Tagen vermutet worden war. Nach Angaben der Frankfurter Rundschau hat der Papst die Bischöfe „eindringlich gebeten“, Wege zu finden, daß in der kirchlichen Schwangerenberatung kein Beratungsschein mehr ausgestellt wird. Das Dilemma bestehe darin, „daß die Bescheinigung die Beratung zugunsten des Lebensschutzes bestätigt, aber zugleich die notwendige Bedingung für die straffreie Durchführung der Abtreibung bleibt, auch wenn sie gewiß nicht deren entscheidende Ursache ist“, argumentiert das Kirchenoberhaupt. Damit sei nicht zu übersehen, daß der gesetzlich geforderte Beratungsschein eine „Schlüsselfunktion für die Durchführung straffreier Abtreibungen“ erhalten habe.

Nach Auffassung des Papstes gerieten die katholischen Beraterinnen dadurch in eine Situation, „die mit ihrer Grundauffassung in der Frage des Lebensschutzes und dem Ziel ihrer Beratung in Konflikt steht“. Gegen ihre Absicht würden sie in den Vollzug eines Gesetzes verwickelt, „der zur Tötung unschuldiger Menschen führt“. Der unbedingte Einsatz „für jedes ungeborene Leben“ lasse keinerlei Kompromisse, Abstriche oder Zweideutigkeiten zu. Einen deutschen Sonderweg könne es nicht geben, weil die Abtreibung eine pastorale Frage „mit lehrmäßigen Implikationen“ sei, heißt es in dem Schreiben.

Der Vatikan hat sich damit die schon bestehende Beratungspraxis des Bistums Fulda zu eigen gemacht. Dort hatte der erzkonservative Bischof Johannes Dyba schon seit 1993 keine ergebnisoffenen Beratungen in katholischen Beratungsstellen mehr erlaubt. Die fünf Beratungsstellen in dem Bistum bekommen seither kein Geld mehr für die Beratungen aus dem hessischen Sozialministerium. In den vergangenen Tagen hatten PolitikerInnen aller Parteien die Bischöfe aufgefordert, weiter im System der staatlichen Konfliktberatung zu verbleiben, und indirekt mit dem Entzug der staatlichen Unterstützung gedroht. Bei einem Ausstieg der Kirchen, so Außenminister Klaus Kinkel (FDP), drohten „Beratungslücken“ vor allem in Bayern, Baden-Württemberg und NRW. bpo/ ten Reportage Seite 13