Wir waschen unsere Hände in Unschuld

■ Der Papst setzt sich durch: Katholische Bischöfe werden in Zukunft keine Beratungsscheine mehr in Schwangerschaftskonfliktzentren ausstellen lassen. Sie gründen einen Arbeitskreis, der die Beratung neu regeln soll

Berlin/Bonn (taz) – Die deutschen Bischöfe haben entschieden. Sie werden der Bitte des Papstes „Folge leisten“. Das erklärte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann, gestern in Mainz: Keine katholische Beratung mehr mit jener Bescheinigung, die Voraussetzung ist für eine straffreie Abtreibung. Dies aber nicht sofort. Vielmehr werde die katholische Konfliktberatung vorläufig weitergehen. Gleichzeitig aber werde eine bischöfliche Arbeitsgemeinschaft ab März nach Wegen suchen, wie die Kirche ohne den Schein in der Schwangerschaftskonfliktberatung bleiben kann.

Die Erklärung der Bischöfe, so Lehmann, sei „nach einigem Ringen einstimmig“ zustande gekommen. Nach Ansicht der Bischofskonferenz habe die Konfliktberatung im gesetzlichen Rahmen nicht zu einer Stärkung des Lebensschutzes geführt. Vielmehr sei der Beratungsschein „in ein immer stärkeres Zwielicht gekommen“ und nicht wenigen „wie eine Art Recht auf Abtreibung“ erschienen. Lehmann weiter: „Nicht erst der Papst hat uns in diese Zerreißprobe gestürzt.“

Der Münchener Erzbischof Friedrich Kardinal Wetter machte gestern sogleich deutlich, wie konservative Kirchenfürsten mit dieser „Zerreißprobe“ umzugehen gedenken. Er forderte den Gesetzgeber zu einer Neuregelung des Abtreibungsrechts auf. Anders reagierten gestern Vertreter der Bistümer Hamburg, Speyer und Berlin, die erklärten, für ihre Beratungsstellen werde sich vorläufig nichts ändern.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken forderte Bundesregierung, Länder und Parteien auf, mit der Kirche in neue Verhandlungen zu treten, um sie in der gesetzlichen Beratung zu halten. Annegret Laakmann von „Wir sind Kirche“ bedauerte, daß mit der bischöflichen Entscheidung der „Kompromiß zwischen Staat und Kirche“ vorläufig gescheitert sei.

Die Reaktionen der Bonner Parteien bezogen sich gestern auf unterschiedliche Aspekte der Bischofsentscheidung. CDU- Generalsekretär Hintze zeigte sich erfreut, daß das Bischofswort nicht sofort zu „einem bruchhaften Wechsel in der Beratungspraxis“ führe. Er stellte klar, daß seine Partei an dem Abtreibungsgesetz festhalte. Bundeskanzler Kohl vermied dies und äußerte lediglich die Hoffnung, daß die Kirche „keine Abstriche“ an der Beratung machen werde. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Renate Schmidt bedauerte, daß durch die Entscheidung „ein wesentlicher Bestandteil der gesetzlichen Beratung von Frauen im Schwangerschaftskonflikt“ wegfalle. Bündnis 90/Die Grünen reagierten widersprüchlich auf den Appell der Kirchenfürsten, erneut die Beratungspflicht mit Schein zu überdenken: Die kirchenpolitische Sprecherin Christa Nickels ließ die Bereitschaft erkennen, „gemeinschaftlich nach einer Lösung in dem Papstkonflikt zu suchen“. Die frauenpolitische Sprecherin Rita Grießhaber indes wies „das unverhohlene Ansinnen an den Deutschen Bundestag, das Gesetz jetzt zu verschlimmbessern“, zurück. Fraktionssprecherin Kerstin Müller bezeichnete die Entscheidung der Bischöfe als „offene Aufkündigung des vom Bundestag gefundenen Kompromisses“. Deshalb sollten die Beratungsstellen nicht länger vom Staat finanziert werden.

Diese Position vertritt auch FDP-Generalsekretär Westerwelle. Er sagte der taz, wenn die katholische Kirche ihre Beratungstätigkeit einstelle, dürfe sie nicht länger vom Staat bezahlt werden. Der Schein sei Teil der Auflage des Bundesverfassungsgerichts. Als erste Bundesländer stiegen Hessen, Bremen und NRW in diese Debatte ein. Hessens grüne Familienministerin Nimsch sagte: „Beratungsstellen, von denen keine Scheine ausgestellt werden, erfüllen nicht den gesetzlichen Auftrag und können keine staatliche Förderung erhalten.“ Bettina Markmeyer

Tagesthema Seiten 2 und 3

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