"EU erpreßte Schweiz"

■ Grüne aus vier Ländern kritisierten in Lindau das Schwerverkehrsabkommen zwischen der EU und der Schweiz

Lindau (taz) – Mit einer harschen Ablehnung des Verkehrsabkommens zwischen der EU und der Schweiz endete in Lindau am Bodensee die erste länderübergreifende Konferenz der Grünen zum Thema „Alpentransit“. Statt dessen forderten Grünen-Politiker aus Deutschland, der Schweiz, Österreich und Italien eine Verlagerung des Schwerlastverkehrs auf die Schiene und ein Vetorecht der Alpenländer gegen auf die Alpen zuführende Fernstraßen, falls diese neue Alpentransitstraßen erzwängen.

„Die EU hat die Schweiz glatt erpreßt“, kritisierte Wolfgang Kreissl-Dörfler, Abgeordneter der Grünen im Europaparlament. Nur weil die Schweiz keine wirtschaftlichen Nachteile im Handel mit der EU wolle, so Kritiker, habe sie sich von der EU soviel Straßen-Güterverkehr aufladen lassen – obwohl ein Volksbegehren von 1994 die Verlagerung auf die Schiene verlangt.

Die Umsetzung dieses Abkommens zieht unweigerlich noch mehr Güterverkehr in die Schweizer Alpen. Demnach dürfen bis 2005 schrittweise immer mehr und immer schwerere Lastwagen durch die Schweiz fahren. Schließlich sollen sie bis zu 44 Tonnen wiegen dürfen, bisher lag die Obergrenze bei 28 Tonnen.

Die Schweiz hatte zum Ausgleich eine neue Transitgebühr verlangt. Die ist nun aber mit knapp 400 Mark pro Lkw nur halb so hoch, wie das Alpenland angestrebt hatte. Das übe keinen Druck aus, urteilt Kreissl-Dörfler, Güterverkehr zukünftig von der Straße auf die Schiene zu verlagern. „Ein Joghurtbecher, der per Lkw von Italien nach Deutschland transportiert wird, verteuert sich dadurch gerade mal um 0,07 Pfennig – ein Witz“, schimpfte der Europaabgeordnete.

Eines zieht sich wie ein roter Faden durch das Lindauer Positionspapier: Nur eine Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene könne zu einer wirksamen Entlastung der sensiblen Alpenregion führen. Und: Eine solche Verlagerung ist möglich, wenn hierzu die richtigen politischen Weichenstellungen erfolgen. Die erhofft sich Albert Schmidt, verkehrspolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, von einer leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe, die europaweit eingeführt werden müsse. „Hier sollen dem Spediteur alle Kosten berechnet werden – von der Belastung der Luft bis hin zu Lärmemissionen und Straßenschäden.“ Würden flankierend noch Mineralöl- und Kfz-Steuer erhöht, verdoppelten sich nach diesem Modell die Gütertransportkosten innerhalb der nächsten zehn Jahre: Von heute acht Pfennig, um eine Tonne Gut über einen Kilometer zu transportieren, auf dann 16 Pfennig. Hierdurch würde ein wirkungsvoller Anreiz zur Verlagerung auf die Schiene geschaffen.

Ausdrücklich begrüßten die Grünen das Projekt der „Neuen Alpentransversalen“ (NEAT) in der Schweiz. Dabei werden zwei Eisenbahn-Basistunnel durch den Lötschberg und durch den Gotthard gebaut. Abgelehnt wird hingegen der Bau eines Tunnels durch den Brenner. Es sei „unsinnig“, ausgerechnet an der breitesten Stelle der Alpen einen Tunnel zu bauen. Der sei mit einer Länge von 240 Kilometern ohnehin nicht finanzierbar. Das werde „die längste U-Bahn der Welt“, spottete Grünen-Sprecher Schmidt.

Abgelehnt wird auch ein Vorstoß der EU-Kommission. Demnach soll der Ministerrat auf seiner nächsten Sitzung am 16. März eine Abschaffung des in Österreich geltenden Nachtfahrverbotes für Lkws beschließen, da ein solches Verbot in keinem anderen EU- Staat bestehe. „Da sind nicht nur wir Grünen dagegen“, so Gabriela Moser, Abgeordnete der Grünen im österreichischen Nationalrat. Auch die österreichische Regierung habe gegen diesen EU-Vorstoß protestiert. „Notfalls klagt Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof“, sagte Gabriela Moser. Schließlich sei das Lkw- Nachtfahrverbot im österreichischen Straßenverkehrsrecht geregelt. „Und da“, sagt Gabriela Moser, „hat die EU nichts hineinzubestimmen.“ Thomas Wagner