Per Hubschrauber über Brutkolonien

■ „Ökotourismus“ stranguliert das weltgrößte Feuchtgebiet, das brasilianische Pantanal

Rio de Janeiro (taz) – Umweltschützer aller Länder hatten vereint eine tolle Idee: Wir machen den Bewohnern des größten und tierreichsten Feuchtgebiets der Welt klar, daß sich an naturvernarrten Ökofreaks der „Ersten Welt“ furchtbar viel Kohle verdienen läßt – und schon hören Tiermassaker, Brandrodungen und Agrargift-Exzesse auf. Es ist leider anders gekommen.

Erst kamen nur wenige Ökotouristen aus Europa und Nordamerika und füllten die drei, vier annehmbaren Öko-Herbergen des Pantanal. Der Nationalpark an der Grenze zu Paraguay ist mehr als halb so groß wie Deutschland. Luis Carles Bodstein, Manager der staatlichen Tourismusbehörde Embratur, hatte resignierend konstatiert: „Dem Brasilianer fehlt der Habitus, Natur zu besuchen und zu beobachten. Für ihn kommt nicht in Frage, auf die Natur Rücksicht zu nehmen.“

Bodstein hatte wohl unterschätzt, wie gern Brasil-Mittelschichtler Stil und Moden Europas und der USA kopieren. Als dann auch noch 120 Folgen einer TV-Serie im Pantanal produziert wurden – Schauspieler vögelten aufregend in Piranha- und Krokodilwassern – begann der Run: Pantanal-Safaris wurden schick. Die Fremdenführer merkten rasch, wie gern die Touristen startende Riesenschwärme von Störchen, Reihern, Pelikanen und Ibissen ablichten, und deckten sich reichlich mit Feuerwerkskörpern ein. Die interessantesten Kolonien wurden pro Tag von acht bis zehn Touristenbooten heimgesucht. Betuchtere Kundschaft bevorzugt Leichtflugzeuge und Hubschrauber zum Hochscheuchen der Vögel.

Proteste von Umweltorganisationen fruchteten nichts. Untersuchungen belegen jetzt die Folgen dieser Art von „Ecoturismo“: Immer mehr Brutkolonien mit Eiern und Jungvögeln werden aufgegeben. In einem beschriebenen Fall bedeutete dies einen Verlust von über 10.000 Tieren verschiedener Arten. Heute zählt das Pantanal 178 Hotels und Herbergen. Doch nur drei haben eine staatliche Öko- Lizenz. Die anderen stehen – streng verboten – direkt an Flüssen und Bächen und leiten ihre Abwässer ein. Umgebende Wälder werden gerodet.

Die Regierung kürzt überdies bei den ohnehin unzureichenden Umweltschutzbeamten: Über das riesige Pantanal wachen gerade 118 schlechtbezahlte Männer – vorgesehen waren bereits 1987 aber 334. Deshalb haben die Bewohner, die „Pantaneiros“, auch weiterhin Angst vor skrupellosen Wilderern und Rauschgiftkommandos. Wer ihnen keinen Unterschlupf gewährt, sie gar anzeigt, ist rasch ein toter Mann. Patricia Sholl