Eine kleine Messe für den guten Menschen

■ Boxprofi Axel Schulz zeigt beim Sieg über Francis mal wieder, was er kann – und was nicht

Dortmund (taz) – Nach so einem Abend sind die Fakten zu liefern, ohne Pathos und Prosa. Festzuhalten ist also, daß der Berufsboxer Axel S. (29) am Samstag abend in der Dortmunder Westfalenhalle seine dreißigste Arbeitsschicht erfolgreich beendet hat. Kraft seines einstimmigen Punktsiegs über einen gewissen Julius Francis aus London, der S. als Gast der heimischen Trainingsstätte in Frankfurt (Oder) bereits bekannt war, vermochte der Sieger seine Profibilanz auf nun 25 Siege bei drei Niederlagen, ein Unentschieden und einem Kampf ohne Wertung zu verbessern. Am Rande der Veranstaltung wurde ruchbar, daß S. an seinem nächsten Arbeitstag in der Öffentlichkeit gegen den Briten Scott Welch um den Titel eines Europameisters boxen soll. Ein genauer Termin für den Monat Mai wird noch bekanntgegeben.

Doch wozu sollte ein Boxer, der mit „Volksheld“ schon das wichtigste Championat innehält, unter größter gesundheitlicher Gefahr eigentlich nach einem offiziellen Titel streben? Die immer noch imposante Menge von 5.000 Zuschauern wird nach der jüngsten Vorstellung von Axel Schulz darauf wohl ebensowenig eine Antwort wissen wie dieser selbst. Aber die Menge darf um Mitternacht nach Hause gehen, während ein Volksheld dann zur Pressekonferenz erscheint – und dort um Realitäten herumreden muß, die offensichtlich und darum nicht mehr verhandelbar sind.

Der Vergleich mit Francis, im Jargon übrigens gern als „Kampf“ bezeichnet, war ja eine kleine Messe für den großen Brandenburer, der einmal mehr zeigen durfte, was er kann – und was nicht. Er kann aus gesicherter Deckung geduldig abwarten und jenen Abstand zum anderen kontrollieren, der ihn aus der Distanz für gegnerische Treffer hält. Und er kann diese Distanz mit eigenen Ausbrüchen plötzlich und auch unvermutet genug überbrücken, um dabei eigene Trefferserien zu landen.

Nur nachzulegen mit weiteren Schlägen, den Gegner zu Boden und eventuell auch aus seinem Bewußtseins-Kontinuum zu bringen – das ist die Sache eines Gutmenschen im Ring nicht.

Ein solcher aber ist Schulz ganz offensichtlich, denn als der von beiden Seiten mit großer Vorsicht geführte Tanz vorbei war, umhalste der Deutsche seinen Kontrahenten so inniglich, als müsse er schnellstmöglich eine durch den Schlagabtausch in Frage gestellte Harmonie wiederherstellen. Doch der so Geherzte zahlte mit eigensüchtigerer Münze zurück – hob erst den Arm zum Zeichen des eingebildeten Triumphs und dann die Brauen, als der Ringsprecher die krass überzeichneten Wertungen der drei deutschen Punktrichter bekanntgab (118:111, 120:109, 118:112).

In Wahrheit agierte der Brite viel zu verhalten, und so boten sich beide Kontrahenten ein Ballett der Skrupelhaftigkeit, daß der spätere Gewinner hernach zum Musterbeispiel einer Faustgefechtkunst uminterpretieren wollte. „Wer in dem Sport seinen Kopf nicht wegnimmt“, sagte Schulz, „der muß 'n bißchen doof sein.“

Oder ein kraftstrotzender Bulle mit Beißhemmung, so wie Axel, der Gehemmte. Daß „die zweite und dritte Welle“, wie sie das daheim im Gym nennen, im Ernstfall ausbleibt – das ist ja vermutlich nicht mal eben so in ein paar Trainingseinheiten mit Chefcoach Wolke nachzusitzen, sondern Ausdruck einer im Seelischen zu ortenden Schwelle.

Sie habe dem Axel am liebsten noch im Ring eins um die Ohren gegeben, ließ Trainergattin Brigitte Wolke sich am Ring vernehmen. Wenigstens ein Mensch, hätte man sie ermuntern mögen, der richtig schlägt. Bertram Job