Déjà vu

■ Industrie verspricht Arbeitsplätze und macht Wahlkampf für Kanzler Kohl

Da stehen sie wieder, die Recken: Pünktlich zur Bundestagswahl ergreift die Industrie Partei für Helmut Kohl. 500.000 neue Arbeitsplätze durch eine Konjunkturbelebung 1998 sieht Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt kommen. Ein SPD-Sieg würde nach Ansicht der Industrie hingegen „Investitionen verhindern und Arbeitsplätze vernichten“. Zum Industriellentreffen in München war zufällig auch Kohl anwesend und ließ sich medienwirksam mit den Spitzenvertretern der Industrie ablichten.

Das gleiche Stück hat die Industrie schon 1994 aufgeführt. Scharping trat als SPD-Kanzlerkandidat an, die Umfrageergebnisse für Helmut Kohl waren mies, und die Zahl der Arbeitslosen viel zu hoch für die Wiederwahl der Regierung. Doch dann spielte das Kanzleramt ein paar Trümpfe aus. Die von der Industrie vorher angefachte Diskussion über den schlechten „Standort Deutschland“ wurde kleingekocht, mehr Lehrstellen wurden gefordert. Die Industrieverbände waren plötzlich optimistisch, die Lage an der heimischen Konjunkturfront wieder in den Griff zu kriegen – ein Sommerboom der Wirtschaft wurde passend für die Wahl zur dauerhaften Belebung umgemünzt. Und der gewichtige Helmut war plötzlich auf allen Kanälen mit Staatsmännern und Wirtschaftsführern zu finden – vor allem aber in den Sendern seines angeblichen Freundes Leo Kirch. Eine hübsche Wahlkampfserie wie damals „Zur Sache, Kanzler“ werden sich Sat.1 & Co schon wieder für die Wahl 98 ausgedacht haben.

Fragt sich: Was will die Industrie noch mit dem abgenutzten Kohl? Scheinbar setzt sie weiter auf das Bewährte. Sie tut also, was sie bei den Deutschen im allgemeinen und den Arbeitnehmern im besonderen kritisiert. Ob Schröder kleinen Existenzgründern und mittleren Unternehmen – den Jobmaschinen in den USA – wirklich mehr Raum verschaffen will und kann als Kohl, weiß heute keiner. Aber probieren könnte man es ja. Doch das würde den Interessen der etablierten Wirtschaftsverbände geradezu entgegenstehen. Denn sie haben wenig Interesse an neuen Arbeitsplätzen oder gar an einem Umbau der Wirtschaft. Sie wollen ihren Zugang zu den Subventionstöpfen, Steuerlöcher nutzen und sinkende Reallöhne. Das garantiert Kohl, deshalb unterstützen ihn nun die Wirtschaftsverbände. Auch wenn ihr „Standort Deutschland“ völlig verkalkt. Reiner Metzger